Kreml, Kalaschnikow und Kälte: Russland boomt bei arabischen Touristen

Der Panzer ist nicht gerade das neueste Modell, ein sowjetischer T-62 aus den Tiefen des Kalten Krieges, doch Influencer "Reisender Abdelaziz" aus Saudi-Arabien ist trotzdem hellauf begeistert, dass er damit im Schnee herumkurven darf - noch dazu in einer originalen sowjetischen Uniform.
Videos wie dieses werden auf der Arabischen Halbinsel nicht nur begeistert geklickt, sie bringen auch immer mehr Touristen von dort nach Russland. Gemeinsam mit Chinesen und Indern sorgen sie für eine boomende Reisebranche in Russland - aus Ländern, wo man den Angriffskrieg in der Ukraine deutlich anders sieht als etwa in Europa.
So sind im Vorjahr rund 60.000 Saudis als Touristen nach Russland gereist, das ist zwar in absoluten Zahlen - etwa im Vergleich zu mehr als einer Million Chinesen - noch nicht rekordverdächtig. Rekordverdächtig dagegen sind die Zuwachsraten: Plus 600 Prozent für Gäste aus Saudi-Arabien, noch mehr Steigerung bei anderen Golfstaaten wie Kuwait oder Dubai. Dazu kommt, wie auch in Österreich sind arabische Touristen sehr spendierfreudig, sie wohnen zu fast 90 Prozent in Vier- und Fünf-Stern-Hotels und geben rund das Dreifache eines westlichen Touristen aus.
Alles rasch und unbürokratisch
Es zahlt sich also für Russland aus, diesen Markt zu bespielen - und das tut man zuallererst mit ein paar praktischen Erleichterungen. War es für Reisende aus Saudi-Arabien lange ein unendlich mühsamer, bürokratischer Marathon, um an ein Touristenvisum für Russland zu kommen, ist das alles inzwischen online zu erledigen, das E-Visum kommt also direkt aufs Handy.
Für Kuwait geht demnächst ein ähnliches System an den Start. Doch nicht nur die Visum-Vergabe ist deutlich einfacher geworden, auch die eigentliche Anreise geht inzwischen meist direkt und per Billigfluglinie, von denen einige Moskau, St. Petersburg und auch den Badeort Sochi am Schwarzen Meer ansteuern.
Abenteuer auf arabisch
Vor Ort werden dann immer mehr Besichtigungs- und Rundfahrtprogramme auf Arabisch angeboten. Die Touristen aus dem Nahen Osten zeigen sich nicht nur von Sehenswürdigkeiten wie den Palästen von St. Petersburg begeistert, sondern auch vom vergleichsweise niedrigen Preisniveau. Auf die Frage, wie sie denn ausgerechnet auf Russland gekommen seien, verweisen viele auf die Videos auf Tiktok, oder Instagram, die sie gesehen hätten.
Die Urlaubserlebnisse, die da beworben werden, sind nicht nur der Kreml, oder der Winterpalast in St. Petersburg, sondern auch weit abenteuerlichere Dinge - und die beginnen für Touristen aus Arabien, oder Indien schon bei den Temperaturen. So erzählt ein Arzt aus Saudi-Arabien der britischen Financial Times von seinem Aufenthalt im Februar: "Wir waren völlig schockiert vom Wetter", schildert er seine Eindrücke von Schnee und zweistelligen Minusgraden, "aber das ist eben Teil des Erlebnisses. Wir dachten schon das es kalt ist, aber so kalt...Wir kommen eben aus einer Wüstengegend." Russland bewirbt also per Instagram sibirische Winterlandschaften, einen Fluss, der sich regelmäßig blutrot färbt - übrigens wegen industrieller Verschmutzung - oder eben militärische Abenteuer. Die Ausfahrten mit dem Sowjet-Panzer werden gemeinsam mit dem Abfeuern einer Kalaschnikow-Maschinenpistole und weiteren Probefahrten mit Militärfahrzeugen in einem Militär-Abenteuer verpackt, das man gleich im Paket buchen kann.
Der Krieg macht sich trotzdem bemerkbar
So sehr sich Russland darum bemüht, die Reisen für die Gäste aus dem Orient möglichst angenehm zu machen, der Krieg in der Ukraine und die internationalen Sanktionen bringen trotzdem einige alltägliche Urlaubs-Probleme mit sich. So sind etwa internationale Kreditkarten wie Visa in Russland derzeit nicht verwendbar. Was man also nicht vorab bucht und bezahlt, dafür muss man Bargeld eingesteckt haben. Dazu kommen Störsignale, die in vielen Gegenden Russlands und sogar in der Hauptstadt eingesetzt werden, um anfliegende ukrainische Drohnen elektronisch durcheinanderzubringen und so vom Himmel zu holen. Der unangenehme Nebeneffekt: Ist das GPS-Signal einmal gestört, kann es auch passieren, dass das Uber-Taxi, das man gerade bestellt hat, vom Handy verschwunden ist.
Kommentare