Reaktionen auf Erdogan-Sieg: "Eine beunruhigende Ära ist angebrochen"

Reaktionen auf Erdogan-Sieg: "Eine beunruhigende Ära ist angebrochen"
So reagierten internationale Medien auf den Wahlerfolg Erdogans.

Zum Sieg von Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentenwahl in der Türkei schreiben europäische Zeitungen am Montag:

Tages-Anzeiger ( Zürich):

"Recep Tayyip Erdogan konnte nach 16 Jahren an der Macht seine Siegesserie fortsetzen, die Opposition muss sich wieder einmal mit dem Gefühl begnügen, dabei gewesen zu sein. Diesmal mit einem Wahlkampf, der so kraftvoll und kreativ war, wie man das in der Türkei schon lange nicht mehr gesehen hat. Aber gereicht hat das nicht für einen Machtwechsel. (...)

Die Verunsicherung wird anhalten, Kapital und Köpfe werden weiterhin fliehen, daran wird das Wahlergebnis nichts ändern. Der Verfall der türkischen Lira ist nicht nur hausgemacht, aber die politischen Zustände spielen eine große Rolle beim Vertrauen in eine Währung. Viele Unternehmen hat dies schon an den Rand der Zahlungsfähigkeit gebracht. Auch der Staat hat über seine Verhältnisse gelebt, er hat das Geld mit vollen Händen ausgeteilt, um die Wähler zufrieden zu stimmen. Dieser Wahlsieg war teuer erkauft. Die Großzügigkeit lässt sich nicht fortsetzen, sie führt die Türkei in eine Schuldenkrise."

Pfeifer (ORF): "Türkei bleibt Land im Ausnahmezustand"

Times (London):

"Als Erdogan die Wahl um 17 Monate vorverlegte, baute er auf die Schwäche seiner Gegner. Er mag geglaubt haben, dass die weltlichen Türken, in die Apathie getrieben, ihr Wahlrecht für einen Strandurlaub aufgeben. Aber die Wahlbeteiligung war hoch und sie sorgte für ein knapperes Ergebnis, als viele erwartet hatten. Die Zahlen deuten darauf hin, dass Erdogan viele Türken vor den Kopf gestoßen hat. Einstige Insider berichten, dass das in starkem Maße an seinen Beratern liegt, die von einem vielseitigen, gebildeten und moderat unabhängigen Kreis zu einer Clique von Ja-Sagern geschrumpft ist. (...) Es ist fast niemand mehr übrig, der dem Mächtigen noch die Wahrheit sagt."

El Mundo (Madrid):

"In der Türkei ist nach dem gestrigen Sieg (Recep Tayyip) Erdogans bei der Präsidentenwahl eine beunruhigende Ära angebrochen, und das unter dem Vorwurf des massiven Betrugs. Nach 16 Jahren an der Macht, den Großteil davon als Ministerpräsident, waren die Wahlen eine Abstimmung über seine Person. (...) Angesichts des autoritären Abgleitens und Erdogans Streben nach Islamisierung befürchten viele, dass die liberale Demokratie in einer Schlüsselnation für die Geostrategie der Welt nun den Todesstoß bekommt. (...) Im Stil von (Wladimir) Putin in Russland hat er Sicherheit und nationalistischen Stolz zu seinen großen Themen gemacht und damit die effektive (...) Idee von "ich oder das Chaos" umgesetzt."

La Repubblica (Rom):

"Erdogan hat nun die größtmögliche Macht in der Hand. Vor ihm liegt ein Mandat für fünf Jahre mit quasi absoluter Macht, obgleich in einem gespaltenen Land. Kein Ministerpräsident mehr. Das Parlament unter direkter Kontrolle. Richter direkt vom Staatschef eingesetzt. Auch hat der Präsident die Politik der Zentralbank unter Kontrolle. Seine Prüfbank wird die Wirtschaftskrise mit dem Verfall der türkischen Lira. Aber Erdogan hat nun freie Hand."

Kommersant (Moskau):

"Die vorgezogenen Wahlen von Präsident und Parlament in der Türkei haben gezeigt, dass das Land weiterhin keine Alternative zum Kurs von Staatschef Recep Tayyip Erdogan sieht. In Zeiten ökonomischer Probleme und großer Müdigkeit wegen der Unabänderlichkeit der Macht war es schwer, die Wähler zu mobilisieren. Erdogan und seine Helfer setzten deshalb auf nationalistische Parolen und das Entlarven äußerer Feinde. Im Ergebnis hat Erdogan 55 Prozent erhalten. Und wie es aussieht, werden die präsidententreuen Kräfte auch das Parlament kontrollieren."

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