Ukraine-Deal? Warum Putin im Poker mit Trump die besseren Karten hat

FILES-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-US-DIPLOMACY-ALASKA
Am Freitag, um 11 Uhr Ortszeit, reden Trump und Putin nicht nur über die Zukunft der Ukraine. Dem Kremlchef könnte das Treffen auch wirtschaftlich nutzen.

Vor einigen Monaten, als Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij vor dem Augen der Welt wie einen Schulbuben zurechtstutzte, sagte der US-Präsident: „Sie haben die Karten nicht in der Hand.“ Was er damit meinte: Er, der mächtigste Mann der Welt, habe natürlich alle Trümpfe.

Das mag in vielen Belangen stimmen – am Freitag nicht. Wenn Trump den russischen Präsidenten auf einer US-Militärbasis in Anchorage in Alaska trifft, hat ziemlich sicher einer das bessere Blatt: Wladimir Putin.

Was will Putin?

Schuld an dieser Schieflage ist Trump selbst. Er ließ nie einen Zweifel daran, was er von Putin will: Auch wenn er das Ganze nur „listening exercise“ nannte, also eine Zuhöraufgabe, war er seit jeher auf einen schnellen Deal aus – einen, der die USA von allen Verpflichtungen befreit und ihn selbst als Friedensstifter dastehen lässt.

Putin hingegen steht nicht unter Druck. Er ist dank Erfolgen an der Front und gelungener Propaganda nicht auf ein schnelles Kriegsende aus, innenpolitisch steht er ohnehin nicht unter Druck. Für ihn, so formulieren es Kreml-Insider, ist der Gipfel eine „einmalige Chance“: Er kann mit vielen Gewinnen nach Hause zurückkehren, muss aber auch gar nichts mitnehmen. Denn einen Sieg habe er bereits in der Tasche: Dass Trump ihn hofiert – und wieder hoffähig macht.

Dazu kommt, dass Putin als einer der gewieftesten und manipulativsten Verhandler der Welt gilt. Das wissen vor allem jene, die bereits versucht haben, mit ihm Deals zu schließen: „Seine Technik ist professionelles Lügen“, sagt Frankreichs Ex-Präsident Francois Hollande, der mit dem Kremlchef schon 2015 über die Ukraine verhandelte. Auch die deutsche Altkanzlerin Merkel hat so ihre Erfahrungen mit ihm gemacht: Bei ihrer ersten Begegnung brachte der Kremlchef seinen Labrador mit – wissend, dass Merkel panische Angst vor Hunden hat.

Solche Szenen sind bei Trump zwar nicht zu befürchten; der US-Präsident hat selbst den Ruf, sein Gegenüber gern zu irritieren. Ob ihm das bei Putin gelingt, ist aber fraglich. Bei allen fünf Treffen der beiden ging Putin nie als Verlierer vom Feld.

Dazu kommt, dass Trump seine Position im Vorfeld selbst geschwächt hat. Nach Monaten der Anbiederung knallte er Putin im Juli Sekundärzölle auf den Tisch – und ließ diese Drohung einfach verpuffen. Zwar sagte Trump am Mittwoch wieder, Moskau drohten „schwerwiegende Konsequenzen“, wenn kein Waffenstillstand zustande komme. Welche das sein könnten, wollte Trump dann aber nicht mehr kommentieren.

Keine Experten

Trump ist auch anderer Stelle verwundbar. Putin reist mit einer riesigen Entourage an US-erfahrenen Begleitern an; auch er selbst hat in seinen 25 Jahren an der Macht oft genug mit US-Präsidenten zu tun gehabt. Trump hingegen verlässt sich auf sich selbst. In die Vorbereitungen ist laut Financial Times keine einzige Person mit Russland- oder Ukraine-Erfahrung involviert.

Dass das nicht immer gut geht, hat Immobilienhändler Steve Witkoff bewiesen. Er hat bei den Vorgesprächen im Kreml wohl wegen eines Missverständnisses einen „Gebietstausch“ aufs Tapet gebracht, den Putin nie intendiert hatte – und dem Kremlchef wieder einen Vorteil verschafft. Russland wird jedenfalls keine eroberten Gebiete abtreten, das hat Putin mehrfach betont: „Es gibt eine uralte Regel: Wo ein russischer Soldat seinen Fuß hinsetzt, das gehört uns“, sagte er beim Wirtschaftsforum in Petersburg im Juni.

Bodenschätze-Deal

Bliebt die Frage, wie Trump Putin zu einem Deal überreden will. Einige Medien spekulieren, dass er ihn nicht nur mit der Lockerung von Sanktionen für die angeschlagene russische Luftfahrt, sondern mit einem Wirtschaftsdeal locken will: Zugang zu den Bodenschätzen in Alaska – und die gemeinsame Ausbeutung der Rohstoffe in der Ukraine. Das hat auch Putins Berater angedeutet: Die Präsidenten wollten über das „riesigen ökonomische Potenzial“ der USA und Russland sprechen, sagte Jurij Uschakow, selbst neun Jahre lang Botschafter in Washington.

Passiert das tatsächlich, hätte Trump sein zentrales Versprechen gegenüber den Europäern gebrochen. Eigentlich hat Trump ihnen zugesichert, nicht über die Köpfe der Ukraine und Europas hinweg zu entscheiden. In Kiew hat man aber genau das schon befürchtet: „Wir rechnen mit dem Ausverkauf unseres Landes“, sagte einer von Selenskijs Beratern.

Ob er recht hat, wird man am Freitag sehen.

Kommentare