Das Video hat mehr als 2500 Kommentare, 110.000 Mal wurde es aufgerufen. Die Palästinenser hätten Waffen von der Ukraine gekauft, heißt es im Telegram-Posting, als Quelle werden Dienste wie die BBC oder die Rechercheplattform Bellingcat genannt.
Die haben freilich gar nichts damit zu tun. Falschmeldungen wie diese, die in einschlägigen, auch prorussischen Telegramgruppen auf fruchtbaren Boden fallen, sollen die von der Hamas verübten Massaker in Israel und die Regierung in Kiew miteinander verbinden, und die Ukraine diskreditieren. Die Realität ist aber eine andere: Kiew hat die Attacken umgehend verteufelt, Kremlchef Wladimir Putin sagte bis jetzt aber gar nichts dazu. Und während seine Propagandisten sich darüber freuten, dass "die USA" eine Ohrfeige im Nahen Osten erhalten hätten , begrüßte er Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas in Moskau. Der Kreml unterhält seit Langem nicht nur zur PLO gute Kontakte, sondern auch zur Hamas – Terroristen sind das für Moskau nicht.
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Im russischen TV freute man sich auch darüber, dass US-Waffen nun von der Ukraine Richtung Israel umgelenkt werden. Das ist eine Angst, die tatsächlich berechtigt ist – beide Staaten sind in puncto Waffen hauptsächlich von den USA abhängig, und dort hat die Bereitschaft zur Unterstützung der Ukraine schon in den vergangenen Wochen stark nachgelassen. "Israel sieht sich einer existenziellen Bedrohung gegenüber. Alle Finanzhilfe für die Ukraine sollte sofort nach Israel umgeleitet werden", schrieb etwa der republikanische Kongressabgeordnete Josh Hawley am Montag auf X (vormals Twitter) – die Republikaner waren schon zuvor stark auf die Bremse getreten.
Patriot-Konkurrenz
Problematisch für Kiew könnte diese Konkurrenz vor allem bei der Raketenabwehr werden. Derzeit setzt man in Israel auf das eigene Raketenabwehrsystem Iron Dome, für das eine massive Zahl an Munition notwendig ist – für jede angreifende Rakete sind in der Regel zwei Abfangraketen notwendig, das kostet pro abgefangenem Geschoss geschätzt 100.000 US-Dollar. Weitet sich der Konflikt allerdings aus, greift etwa auch die libanesische Hisbollah aus dem Norden an, müsste Israel auf US-Patriot-Systeme zurückgreifen, die auch in der Ukraine dringend gebraucht werden – und Tel Aviv bräuchte wohl auch massive Finanzhilfen aus Washington, um die heimische Wirtschaft zu stützen.
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Diese Aussichten befeuern nun die Hoffnungen in Russland, dass die milliardenschwere Militärhilfe des Westens für die Ukraine noch schneller erlahmt als im Kreml erwartet. Denn auf die Europäische Union allein kann sich Kiew nicht verlassen – das machte kürzlich der Spitzendiplomat der EU, Josep Borell, persönlich deutlich: "Europa kann die Lücke, die die USA hinterlassen, nicht füllen", sagte er. Als anschauliches Beispiel dient etwa die schleppend vorangehende europäische Produktion von Artilleriemunition.
Für Russland, das derzeit in der Ostukraine immer mehr in die Offensive geht und eine kürzlich von der Ukraine befreite Stadt einzukesseln versucht, sind all das gute Nachrichten. Dass sich der Kreml dazu noch als Vermittler in Stellung gebracht hat, kommt in Israel nicht so gut an: Die Idee, einen "ausgewogenen Ansatz" zu finden, wie Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sagte, also eine Zweistaatenlösung unter Wahrung der Rechte der Palästinenser, sah man dort als einseitig an.
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Dabei hat Moskau viel getan für gute Beziehungen zu Tel Aviv. Putin und Benjamin Netanyahu verstehen sich angeblich auch persönlich gut, Letzterer pries den Kremlchef öffentlich für dessen Intellekt. Zu Beginn des Ukrainekriegs verhängte Israel auch keine Sanktionen, Waffenhilfe für Kiew gab es keine. Verschlechtert haben sich die Beziehungen allerdings, als Moskau allzu oft von ukrainischen "Neonazis" sprach; für viele Israelis – auch die vielen Juden mit russischen Wurzeln dort – war das eine Relativierung des Holocaust. Auch Russlands offenes Kooperieren mit dem Iran war Israel ein Dorn im Auge.
Gleichzeitig ist Tel Aviv Russland aber auch in der Pflicht. Moskau hält in Syrien nämlich die iranischen Revolutionsbrigaden von der Grenze zu Israel ab – für das Land wäre es ein Horrorszenario, befänden sich in dieser Situation offizielle iranische Truppen am Golan.
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