Pumpen sind bereits installiert: Israels Armee könnte Hamas-Tunnel in Gaza fluten

In 50 Metern Tiefe, vier Kilometer lang und so breit und gut ausgekleidet, dass Autos durchfahren können – das ist der größte Tunnel der Hamas, den die israelische Armee am vergangenen Sonntag bisher im Gazastreifen entdeckt hat. Mehr als 800 Tunneleingänge wurden seit Beginn der israelischen Bodenoperation ausgeforscht, an die 500 bereits gesprengt, zerstört oder mit speziellen Schaumbomben quasi versiegelt.
Doch bei Israels Militärführung weiß man auch: Wie eine unterirdische Stadt durchzieht das Tunnelgewirr den gesamten Gazastreifen. Es soll insgesamt an die 500 Kilometer erfassen – und dürfte unmöglich in seiner Gesamtheit zu zerstören sein.
➤ Mehr lesen: Israels Armee mit neuer Taktik gegen die Hamas
Die Tunnel dienen nicht nur als Verstecke für Terroristen, sondern auch als Waffenlager, Kommandozentralen und werden für Überraschungsangriffe genutzt. Und, so die Befürchtung in Israel, dort dürfte sich auch noch immer ein Teil der über hundert Geiseln aufhalten.
Bereits im November, wie erst jetzt bekannt wurde, soll die israelische Armee testweise damit begonnen haben, Meerwasser in die Tunnel zu leiten. „Eine gute Idee“, sagte dazu Generalstabschef Herzl Halevi, „aber ich werde mich nicht zu den Details äußern.“

Nach Recherchen des gewöhnlich gut informierten Wall Street Journals soll Israels Armee bereits sieben Pumpen installiert haben, um das Wasser des Mittelmeers in Richtung der Tunnel umzuleiten. Sie können Tausende Kubikmeter Wasser pro Stunde in die Tunnel befördern.
Sollte Israel den Plan tatsächlich umsetzen, das gesamte Tunnelsystem zu fluten, würde dies nach Expertenmeinung mehrere Wochen dauern. Um die Betonwände und auch Eisentüren der Tunnel zu zerstören, müsste der Wasserdruck extrem hoch sein.
Grundwasser
Abgesehen davon, dass der Leben der Geiseln in den Tunneln gefährdet wäre, würde solch ein Vorgehen gewaltige Risiken bergen. Das gesamte Süßwassersystem im Grundwasser könnte dauerhaft zerstört werden – und zwar nicht nur in Gaza, sondern auch in den benachbarten landwirtschaftlichen Gebieten in Israel und Ägypten.
Entsprechende Erfahrungen mussten ägyptische Bauern schon vor acht Jahren machen. Damals hatte die ägyptische Armee mehrere Tunnel an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen mit Meerwasser gefüllt, um den Schmuggel zu unterbinden. Erst nach dem Protest der Bauern wurde das Fluten gestoppt: Ganze Ernten waren zerstört.
Einsturzgefahr
Die palästinensische Wasserbehörde warnt eindringlich vor den Plänen, die Tunnel mit Meerwasser zu fluten: Dies könne zu einer Verdünnung des Sandbodens führen – und damit zu einem Absinken der Böden im Gazastreifen. Dadurch könnten die wenigen noch nicht zerstörten Häuser und Straßen und auch noch einstürzen.
Die größte Gefahr einer umfassenden Tunnelflutung aber liegt laut Expertenmeinung in der drohenden Umweltkatastrophe, die das gesamte Gebiet im Grunde unbewohnbar machen könnte.
Die Angehörigen der nach Gaza entführten Geiseln in Israel lehnen den Plan, die Tunnel zu fluten, kategorisch ab: Von den 132 in Gaza vermuteten Geiseln dürften nach Angaben der Regierung 20 tot sein.
Kommentare