Das sagt viel über die 47-Jährige. Dänemark hat mit 1. Juni die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, und die Sozialdemokratin hat nicht vor, still die nette Mediatorin zwischen den lauten EU-Größen zu spielen. Sie schickt sich an, Europas Politik nach ihren Vorstellungen umzukrempeln: Schon Wochen vor der Amtsübernahme hat sie mit Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und Österreichs Kanzler Christian Stocker öffentlich eine Neuordnung der EU-Asylregeln gefordert, frei nach dem Motto: Europas Gerichte sind viel zu liberal und migrantenfreundlich. Und das als überzeugte Sozialdemokratin.
Links und rechts zugleich
Überraschen sollte das niemanden. Die Vorstoß ist die konsequente Fortsetzung von Frederiksens nationaler Politik, die schon immer auf einen harten Anti-Migrations-Kurs setzte. Die Dänin übernahm ihre Partei vor zehn Jahren; nach einer Wahlschlappe und in einer Zeit, als wegen der Flüchtlingskrise die Wähler europaweit zu den Rechtspopulisten wanderten. Dänemark war da keine Ausnahme, nur war Frederiksens Antwort erstaunlich anders: Sie fremdelte nicht mit dem ideologischen Gegner, sondern gab mit dem Chef der Rechtspopulisten sogar gemeinsam Interviews. „Chamäleon“ nannten die Medien sie deshalb halb verächtlich, doch ihr Versprechen, die Grenzen dicht und den dänischen Sozialstaat wieder nur den Dänen zugänglich zu machen, zog. Frederiksen gewann die Wahl 2019, und ihre Beliebtheitswerte sind seit Jahren konstant. Die Rechtspopulisten dümpeln hingegen bei 15 Prozent.
Viel Gegenwind
Reibungslos verlief dieser Prozess aber auch in Dänemark nicht, wo selbst in der Politik viel kuschelig-„hygge“ ist. Frederiksen, die im ländlichen Jütland in einem klassischen Arbeiterhaushalt aufwuchs, deren Vater bereits in dritter Generation Mitglied der Sozialdemokraten war und die selbst als Studentin in Kenia als Lehrerin arbeitete, verprellte viele Parteimitglieder. Zugleich wanderten viele Wähler zu den Grünen über; und viele ihrer Ideen – etwa der Abriss von Stadtvierteln, in denen überproportional viele Migranten leben – sorgen für endlose Debatten.
Auf rein politischer Ebene aber hat Frederiksens Plan funktioniert. Während es viele sozialdemokratische Parteien an der Migration zerriss – Österreichs Richtungsstreit zwischen Peter Doskozil und Andreas Babler ist nur eines von vielen Beispielen –, gilt Dänemark in Sachen Asyl mittlerweile für viele andere EU-Mitglieder als Vorbild. Gerade mal 860 Asylwerber hat der Staat 2024 anerkannt, Unterstützung erhalten die kaum. Und wer nicht bleiben darf, wird in ein Sammellager gesteckt – unter teils „unmenschlichen“ Bedingungen, wie der Europarat urteilte.
Frederiksens Ruf schadet diese Kritik nicht, im Gegenteil. Sie gilt als tough und durchsetzungsstark, und in einigen Hauptstädten hofft man, dass sie auch das Dauer-Asylproblem der EU lösen kann. Möglich scheint das, schließlich hat sie auch mit den widrigsten Gesprächspartnern schon eine Ebene gefunden. Donald Trump etwa fuhr 2019 aus der Haut, als sie seine ersten Grönland-Annexionspläne „absurd“ nannte; nach einem Telefonat mit ihr nannte er sie dann aber plötzlich eine „wundervolle Frau“. Auch bei der Neuauflage des Grönland-Streits vor ein paar Monaten haute sie öffentlich auf den Tisch („Sie können nicht einfach ein anderes Land annektieren!“), verhandelte aber im Hintergrund weiter. Seit die Dänen den US-Geheimdiensten die Nutzung von dänischen Militärbasen erlauben, wurde es auch auffallend still um die Causa.
Unfaires Vorbild
Ob Dänemark sein Asyl-Modell in die EU exportieren kann, ist trotz Frederiksens diplomatischer Fähigkeiten fraglich. Ihre Härte ist nämlich nur durchsetzbar, weil für das Land eine Opt-out-Regel aus dem EU-Asylrecht gilt – Kopenhagen muss sich nicht an Brüsseler Standards halten, seine Nachbarn allerdings schon. Das führt zur seltsamen Situation, dass die Dänen Flüchtlinge nach Deutschland abschieben können, wo deren Asylgesuche laut EU-Recht behandelt werden müssen. Zurückschieben geht allerdings nicht: Deutsche Gerichte haben Dänemark wegen der harschen Rechtslage nämlich als „nicht sicher“ eingestuft.
Das Problem wird also nur verlagert, nicht gelöst. Doch Frederiksen irritieren solche Schieflagen nicht. Das hat wohl mit den Umständen zu tun: Laut Umfragen ist sie die beliebteste Regierungschefin Europas, und die dänische Wirtschaft floriert dank des Exportschlagers Ozempic wie selten zuvor. Sie selbst konnte durch den Disput mit Trump sogar die jahrelang schwelende Grönland-Frage angehen – den Vorwurf der Indigenen, die Politik Kopenhagens sei kolonial, entkräftete sie mit einer Investitionsoffensive.
Fehlt also nur ein Erfolg in Brüssel. Danach gefragt, sagte sie lapidar: „Mein Weg führt zum Sieg.“
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