Gift aus dem Wasserhahn: Warum PFAS auch für Österreich ein Problem werden könnten

In Frankreich mussten ab Mai viele Menschen von Leitungs- auf Flaschenwasser umsteigen.
Die Bilder aus Saint-Louis erinnern an die ersten Tage der Corona-Pandemie. Oder an das Blackout in Spanien im vergangenen April: Menschen, die Supermärkte stürmen, die Regale leer räumen – und ihre Einkaufswagen randvoll mit Wasserflaschen füllen.
In dem Ort im französischen Elsass ist abgefülltes Wasser derzeit ein besonders wertvolles Gut. Seit Mai dürfen gefährdete Bewohner (Kinder, Schwangere, Senioren) dort kein Leitungswasser mehr trinken. Denn es ist mit PFAS, auch Ewigkeitschemikalien genannt, belastet.
Was sind PFAS-Chemikalien?
PFAS, kurz für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, sind heute allgegenwärtig. Wegen ihrer nützlichen Eigenschaften – sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend – werden sie in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt, im Alltag etwa in beschichteten Pfannen, Regenbekleidung oder Verpackungen.
Das Problem: PFAS-Chemikalien sind zwar praktisch, aber auch gefährlich. Einige Stoffe sind für Mensch und Natur nachweislich giftig. Bei vielen vermutet man gesundheitsschädliche Eigenschaften. So können PFAS u. a. das Immun- und das Hormonsystem sowie den Stoffwechsel beeinflussen und etwa Krankheiten wie Diabetes begünstigen. Zudem stehen sie im Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen. Allein in Europa könnten die gesundheitlichen Schäden Schätzungen zufolge Kosten von bis zu 82 Milliarden Euro verursachen.
Flughafen-Löschschaum ist das Problem
Die Quelle der PFAS-Kontamination im französischen Département Haut-Rhin ist der nahe gelegene Flughafen Basel-Mulhouse. Dort wurde bis 2017 ein mit PFAS-Chemikalien angereicherter Löschschaum verwendet. Dieser sickerte in den Boden und gelangte von dort unbemerkt ins Grundwasser, das rund 60.000 Menschen in insgesamt elf Gemeinden beziehen. Bei Bluttests von Anwohnern, die das Wasser jahrzehntelang getrunken haben, wurden teils massiv erhöhte Werte festgestellt.
Saint-Louis ist dabei bei Weitem kein Einzelfall. Laut dem Forever Pollution Projekt, das europaweit PFAS-Verunreinigungen dokumentiert, gibt es auf dem Kontinent rund 23.000 kontaminierte Standorte. Mehr als 2.000 davon könnten bald für Kopfzerbrechen sorgen. Sie liegen nämlich über dem EU-weiten Grenzwert, der im Jänner 2026 in Kraft tritt. Und sie könnten erst der Anfang sein.
10.000 Varianten
Der Wert bezieht sich nämlich nur auf die Summe der 20 wichtigsten PFAS-Verbindungen – bei insgesamt mehr als 10.000 verschiedenen Verbindungen der Ewigkeitschemikalien. Viele von ihnen werden bislang weder systematisch erfasst, noch in der EU-Trinkwasserverordnung berücksichtigt. Ob und wo sich andere PFAS im europäischen Wasser befinden, ist damit noch völlig unklar.
„In Österreich tritt ab 2026 ein Grenzwert in Kraft, der eine Sicherheit vorgaukelt, die keine ist“, bemängelt Helmut Burtscher-Schaden von der Umweltschutzorganisation Global 2000. „Wir haben es mit einem echten Problem zu tun“, warnt der Umweltchemiker.
Kritik an zu hohem Grenzwert
Er kritisiert, dass es in Österreich noch zu wenige Untersuchungen gebe – und man weniger streng sei als andere Länder. So haben etwa Deutschland, Dänemark und die Niederlande bereits niedrigere nationale Grenzwerte als die Europäische Union eingeführt. Die US-Umweltschutzbehörde EPA setzt für PFOA und PFOS sogar einen Zielwert von null an. Denn, so Burtscher-Schaden: „Es gibt keine sicheren Schwellenwerte bei diesen Daten.“
Bereits geringste PFAS-Konzentrationen können die Gesundheit beeinträchtigen, etwa durch Störungen des Immunsystems. Bereits kurzfristige Überschreitungen seien daher „nicht akzeptabel“.
Bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES, die das heimische Trinkwasser untersucht, beruhigt man auf KURIER-Nachfrage. Nach aktuellem Wissensstand bestehe in Österreich keine akute Gesundheitsgefahr. Auch unter den 20 von der EU im Grenzwert erfassten PFAS seien meistens nur wenige auffällig.
Allerdings: „Wir gehen davon aus, dass noch weitere PFAS häufiger vorkommen. Daher werden gemeinsam mit EU-Referenzlabors Methoden für weitere PFAS in Trinkwasser und Lebensmittel entwickelt.“ Wenn Hotspots auftreten – wie in der Vergangenheit etwa in Leonding (OÖ), in der Nähe des Flughafens Salzburg oder in Lebring (Steiermark) – müssten die Behörden entsprechende Maßnahmen setzen, heißt es.
Frage über Kosten
Die sind häufig mit enormen Kosten verbunden. Im Großraum Saint-Louis sollen bis Ende 2025 mehrere mobile Wasseraufbereitungsanlagen aufgestellt werden. 20 Millionen Euro sollen sie kosten, 600.000 allein der jährliche Betrieb.
Die Anrainer fordern, dass sich der Flughafen beteiligt. Auf einem Großteil werden sie aber wohl sitzen bleiben: „Nach derzeitigem Stand ist ohne externe Finanzierung eine Erhöhung des Wasserpreises für die elf betroffenen Gemeinden unausweichlich und dürfte bereits im Jahr 2026 eintreten“, heißt es von den Behörden.
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