Palästina: Premier bringt noch keine neue Politik

Ein neuer palästinensischer Premier verheißt noch keine neue palästinensische Politik. Weder zum Guten noch zum Schlechten. Rami al-Hamdallah, Professor für angewandte Linguistik und Präsident der Universität von Nablus, zeigt im Vergleich zu seinem Vorgänger Salam Fayyad keine allzugroßen Unterschiede: Weltoffen, mit fließendem Englisch und politisch pragmatisch. Nur nicht ganz so unabhängig.
Große Politik, sprich Verhandlungen oder auch deren Verzögerung, führt in der palästinensischen Politik der Präsident als Chef der PLO – also Mahmud Abbas. Und der wusste, wen er zum neuen Chef seiner Regierung macht. Hamdallah gehört zu seinen regelmäßigen (nicht engsten) Beratern. Er kommt, wie schon Fayyad, nicht aus seiner Fatah-Bewegung. Mit der hat sich Hamdallah bislang aber auch nicht offen angelegt. Sehr zum Unterschied zu Fayyad.
Die Distanz Hamdallahs zum korrupten Fatah-Apparat kommt gut bei den westlichen Geberstaaten der Palästinenser an. Zu seiner Seite hat Abbas ihm aber auch noch zwei Vize-Premiers gestellt, die plötzliche Alleingänge wie bei Fayyad sehr erschweren sollten.
Unabhängig war Fayyad vor allem finanziell. Er führte die transparente Buchführung in Ramallah ein. Was zur Austrocknung mancher Fatah-Pfründe führte. Und letztlich zu seiner Abhalfterung. Die Fatah-Führung kann nicht mehr wie unter der Gründer-Ikone Yassir Arafat alles bestimmen. Aber auch der Premier nicht.
Geld im Zentrum
Auch in Zukunft werden Fatah-Führung und Regierung nur schlecht miteinander können. Sie können aber auch nicht ohne einander. Misstrauisch warten die Geberstaaten ab. Ein Zurück zur alten Unter-dem-Tisch-Buchführung kann den Geldhahn weiter zudrehen.
Als neuer Finanzminister ist Schukri Beschara im Gespräch, ein erfahrener Banker. Als finanzieller Berater ist Munir al-Masri im Gespräch. Der Selfmademillionär ist ein enger Freund Hamdallahs aus Nablus. Ob das Trio so energisch wie Fayyad den Aufbau ziviler Institutionen betreiben wird, ist unklar. Sie hätten das Zeug dazu – dann aber auch die Fatah gegen sich.
Von den militanten Islamisten der Hamas ganz zu schweigen. Eine Aussöhnung mit ihnen wäre die Voraussetzung für jeden Anspruch, im Namen aller Palästinenser zu verhandeln. Sie würde aber wohl echte Verhandlungen lahmlegen. Bis August müsste eine solche Aussöhnung erreicht sein. Dann läuft die Amtszeit dieser Regierung offiziell ab. Doch an Aussöhnung oder Neuwahlen glaubt ohnehin kaum jemand.
US-Außenminister John Kerry hat bereits mit Hamdallah gesprochen. Ob bald wieder Verhandlungen laufen, hängt jedoch nicht vom neuen Premier ab. Mehr schon von John Kerry. Der kündigte jetzt an: Wenn beide Seiten weiter in fließendem Englisch das verkünden, was sie nicht einhalten wollen, geben die USA ihre Vermittlerrolle auf.
In wenigen Wochen wäre dann bereits klar, ob Hamdallah überhaupt Aussichten auf irgendwelche Erfolge haben kann. Vorgänger Fayyad hatte zu viel Erfolg. Bei Hamdallah könnte es zu wenig sein.
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