Warum Orbáns Schatten über Selenskijs US-Besuch liegt

Wenn Wolodimir Selenskij (l.) in die USA reist, ist ihm Joe Bidens Unterstützung gewiss – wie zuletzt im September. Im US-Kongress sieht es anders aus.
Es ist ein Fernduell, das am Dienstag in Washington stattfindet, wenn auf höchster Ebene der in diesem Jahr wohl letzte Versuch unternommen wird, der Ukraine im Krieg mit Russland weiterzuhelfen – beziehungsweise genau das zu verhindern.
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US-Präsident Joe Biden empfängt am Nachmittag den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij im Weißen Haus. Laut Regierungssprecherin Karine Jean-Pierre will Biden „das unerschütterliche Bekenntnis“ erneuern, "dass die USA die Ukraine weiter darin unterstützt, sich gegen die brutale Invasion Russlands zu verteidigen“.
Die Visite soll atmosphärisch dabei helfen, den Stillstand zu überwinden, der seit mehr als zwei Monaten im Parlament der US-Hauptstadt herrscht.

Biden bittet den Kongress im Wochentakt um grünes Licht, der Ukraine weitere 61 Milliarden Dollar in Form von Militärgütern zur Verfügung zu stellen. Nur so könne Kiew 2024 militärisch handlungsfähig bleiben. Geschehe nichts, gehe der Ukraine schon nach Weihnachten die Luft aus.
Die oppositionellen Republikaner stehen jedoch, getrieben von einer isolationistischen Minderheit, auf der Bremse. Sie koppeln jegliche Ukraine-Hilfe an Mehrausgaben an der amerikanisch-mexikanischen Grenze.
In den USA schwindet die Unterstützung für die Ukraine
Biden sieht darin ein historisches Versagen. „Die Republikaner sind gewillt, Wladimir Putin das größte Geschenk zu machen, das er sich erhoffen konnte. Das würde unsere globale Führungsrolle in der Ukraine und darüber hinaus aufheben.“ China, Russland und andere wüssten dann, dass man sich auf US-Sicherheitsgarantien nicht verlassen könne.
Gleichzeitig wächst im Biden-Lager, wo Regierungsmitarbeiter inoffiziell bestätigen, dass ein ukrainischer Sieg gegen Russland für "äußerst unwahrscheinlich" gehalten wird, der Druck, eine Exit-Strategie zu entwickeln. Die Bereitschaft in der US-Bevölkerung, den Krieg in der Ukraine mit offenem Ende weiter zu finanzieren, nimmt in Umfragen stetig ab.
Einzelne US-Medien berichten, dass mit der Ukraine in groben Zügen über Form und Inhalt etwaiger Friedensgespräche gesprochen worden sei. Offiziell wird das dementiert.
Ob Präsident Selenskyi mit seinem Last-Minute-Appell zu Beginn der letzten Parlamentswoche vor der Weihnachtspause durchdringt, der ihn zu den Spitzenvertretern im Senat, Mitch McConnell (Republikaner) und Chuck Schumer (Demokraten) sowie zum neuen Sprecher des Repräsentantenhauses, dem Republikaner Mike Johnson, führen soll, wird in konservativen Kreisen als "eher unwahrscheinlich" bezeichnet. Das könnte auch an Viktor Orbán liegen.
Orbán lobbyiert gegen weitere US-Hilfen für die Ukraine
Vertraute des ungarischen Premiers treten seit Montag bei einer Tagung der rechtskonservativen Heritage-Stiftung auf, die für Donald Trump gerade den Masterplan für eine zweite Präsidentschaft vorgelegt hat. Dort sollen die Ungarn hinter verschlossenen Türen republikanischen Kongress-Abgeordneten rhetorische „Munition“ an die Hand geben, um der Ukraine politisch den Geldhahn zudrehen zu können – analog zu Orbáns Blockade von EU-Hilfen für Kiew.
Am Hauptquartier der Stiftung in Washington haben sich deshalb Demonstranten angekündigt. Sie rufen die Justiz dazu auf, zu untersuchen, ob die Heritage-Stiftung hier als Lobbyist für eine auswärtige Regierung agiert.
Orbán und Selenskij trafen am Sonntag weit ab von Washington unerwartet kurz aufeinander. Am Rande der Amtseinführung des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei kam es, wie Videos dokumentieren, zu einem engagierten Wortwechsel zwischen den Staatsmännern.

Wolodimir Selenskij (l.) und Viktor Orbán trafen am Rande der Amtseinführung des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei in Buenos Aires aufeinander.
Hintergrund: Orbán war bislang entschlossen, die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen der Ukraine mit der Europäischen Union, wie sie in dieser Woche beschlossen werden sollen, per Veto zu verhindern.
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