Unklarheit nach Ablehnung zweier EU-Kommissarkandidaten

Orban kritisierte, man reibe dem EU-Kommissar Trocsanyi sein Engagement gegen Migration "unter die Nase".

Nach der Ablehnung von zwei Kandidaten für die künftige EU-Kommission, dem Ungarn Laszlo Trocsanyi und der Rumänin Rovana Plumb, durch den Rechtsausschuss des EU-Parlaments herrscht nun Unsicherheit, wie es weitergehen soll. Die Ausschussvorsitzende Lucy Nethsingha bat Parlamentspräsident David Sassoli schriftlich, bei der künftigen Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine Lösung anzufordern.

Sassoli sind die Beschlüsse und Empfehlungen des Ausschusses aber nicht präzise genug: Er schrieb zurück an Nethsingha mit der Bitte um Klarstellung. Der Briefwechsel liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Deshalb wird sich der Ausschuss nach Angaben des Parlaments am Montag erneut mit der Sache befassen.

Ausschuss-Entscheidung "eindeutig"

Mehrere Ausschussmitglieder lehnen das allerdings strikt ab. "Die Diskussion war völlig klar", sagte die stellvertretende Ausschussvorsitzende Manon Aubry aus Frankreich (Linke) der dpa. Der Ausschuss habe sich eindeutig dagegen ausgesprochen, dass Trocsanyi und Plumb EU-Kommissare werden könnten. Alternativen wie ein Wechsel des Aufgabengebiets in der künftigen EU-Kommission seien ausgeschlossen worden. In dem Schreiben an Sassoli sei das allerdings nicht deutlich genug.

Auch der deutsche Grünen-Abgeordnete Sergey Lagodinsky hält das Votum des Ausschusses für eindeutig, wie er der dpa sagte. Er sieht keinen Grund, warum die Abgeordneten noch einmal zusammenkommen sollten. Aubry und Lagodinsky setzen darauf, dass die Position des Ausschusses in einem weiteren Schreiben an Sassoli präziser formuliert wird.

Beobachter rechnen ohnehin nicht damit, dass sich die Meinung des Gremiums ändern wird. "Die beiden Kandidaten sind de facto raus", hieß es aus dem Umfeld des Ausschusses. Von der Leyen will sich erst positionieren, wenn die offizielle Stellungnahme des Parlaments vorliegt, wie eine Kommissionssprecherin am Freitag sagte.

Orban kritisiert Ablehnung

Die Ablehnung des ungarischen EU-Kommissarsanwärters Laszlo Trocsanyi durch den Rechtsausschuss des Europaparlaments hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag im Staatsrundfunk Kossuth Radio kritisiert. Das einzige "Verbrechen" Trocsanyis sei es, dass er als Justizminister der Regierung beim Schutz Ungarns vor den Migranten geholfen habe, meinte Orban.

Orban meinte, man reibe nun Trocsanyi sein Engagement gegen Migration "unter die Nase". Dabei werde der Ex-Justizminister aber nicht von vorne angegriffen, sondern "feige hinterrücks". Orban sagte, er habe allerdings mehrere Ersatzkandidaten in Reserve. Im Interview betonte der Regierungschef, er habe mit der künftigen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein neues Gespräch vereinbart und außerdem noch den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses abzuwarten. Das ungarische Nachrichtenportal "444.hu" hatte vor einigen Wochen zwei Frauen, die EU-Abgeordneten Livia Jaroka und Enikö Györi, als mögliche Alternativen zu Trocsanyi genannt.

Beide Kandidaten wurden wegen Interessenskonflikten abgelehnt. Die Begründung des Rechtsausschusses führt gegen Trocsanyi konkret seine Beteiligung an der Rechtsanwaltskanzlei Nagy & Trocsanyi ins Treffen, die auch während seiner Zeit als Minister Regierungsaufträge erhalten habe, sowie seine Verbindungen mit Russland. Deshalb gebe es "ernste Zweifel, ob der designierte Kommissar seine Rolle als Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung ausüben kann", heißt es in Nethsinghas Schreiben an Sassoli.

   Nach Darstellung der liberalen ungarischen Oppositionspartei Momentum - deren zwei Europaabgeordnete der liberalen Fraktion Renew Europe angehören - soll Trocsanyi zudem mehrfach nicht die Wahrheit gesagt haben. So soll er im Ausschuss behauptet haben, schon seit zehn Jahren keine Anteile mehr an der von ihm gegründeten Kanzlei zu halten. Aus der Vermögenserklärung, die er 2018 als Justizminister in Ungarn abgab, geht aber hervor, dass er damals noch Teilhaber war.

   Auch Trocsanyis Behauptung, dass die Kanzlei von 2014 bis 2019 - die Zeit seiner Ministerschaft - keine Regierungsaufträge angenommen habe, habe sich als unwahr erwiesen, erklärt Momentum auf der eigenen Facebook-Seite. So habe die Kanzlei noch 2018 mit der Regierung vertraglich vereinbart, sie in Streitfällen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Atomkraftwerks Paks juristisch zu vertreten.
 

Die Orban-Regierung teilt die europäischen Politiker hauptsächlich in Befürworter und Gegner einer uneingeschränkten illegalen Migration nach Europa ein. Erstere wollten dabei einen angeblichen Plan des ungarischstämmigen US-Milliardärs George Soros umsetzen, der Hunderttausende Nichteuropäer auf dem Kontinent ansiedeln wolle. Kritiker des Umgangs der ungarischen Regierung etwa mit der Rechtsstaatlichkeit oder mit Medien werden daher regelmäßig als "Migrationsfreunde" oder "Soros-Söldner" bezeichnet.

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