"Oben ohne" im Schwimmbad: Warum war das früher gängiger?

"Oben ohne" im Schwimmbad: Warum war das früher gängiger?
In vielen deutschen Bädern ist das Baden ab dieser Saison „oben ohne“ auch für Frauen ausdrücklich erlaubt. Dabei war das in den 80ern bereits gang und gebe.

Wer nach einfachen Bildern einer weiblichen Brust googelt, findet diese meist von Händen oder Babys verdeckt. Wenn nicht, stehen sie oft in einem pornografischen Kontext. Und auf Instagram verstoßen Fotos, auf denen weibliche Brustwarzen zu sehen sind, trotz jahrelanger Kritik noch gegen Community-Richtlinien und werden per KI automatisch gelöscht.

Wie sexualisiert die weibliche Brust als Körperteil ist, das ist auch abseits der Bildschirme spürbar – im Sommer mehr denn je. Wenn kommende Woche die Freibäder öffnen, ist es für viele Frauen unvorstellbar, dort wie Männer ohne Bikini-Oberteil ins Wasser oder gar Volleyball spielen zu gehen. Berlin, Freiburg, Köln – immer mehr deutsche Städte weisen jetzt ausdrücklich darauf hin, dass Besucher ihrer Bäder sich „oben ohne“ zeigen dürfen – egal, welches Geschlecht sie haben.

Und das, obwohl es in den meisten nie offiziell verboten war. Auslöser war die Empörung nach mehreren Vorfällen, in denen Frauen und Transgender-Personen Bäder verlassen mussten, weil sie ihre Brüste nicht verdecken wollten. Damit soll vielerorts ab dieser Saison Schluss ein, die Entscheidung über das Oberteil bei jeder Person selbst liegen. Die Betreiber österreichischer Bäder sehen das ähnlich.

Was bei dieser Debatte mitschwingt, ist die Frage: Haben wir das nicht schon vor Jahrzehnten ausdiskutiert? In den 1980ern waren Frauen ohne Oberteil in den Bädern schließlich gang und gebe.

Warum ist das heute nur noch vereinzelt zu beobachten?

Petra Unger, Expertin für Gender Studies und Feministische Forschung, bringt das im KURIER-Gespräch mit wieder konservativeren Werthaltungen in Verbindung. Diese würde sich neben einer gewissen Lustfeindlichkeit auch in unserer Einstellung zu Produktivität zeigen: „Wir haben wieder mehr Körperdisziplin  – der Arbeitsmarkt verlangt hochdisziplinierte Geister und Körper, so ist am meisten aus den Menschen rauszuholen. Sexualität bedeutet aber das Gegenteil, nämlich Kontrollverlust.“

Der Trend gehe derzeit ja auch wieder eher zurück zu monogamen Beziehungen und dem Heiraten.

"Anker in unsicherer Zeit"

„Das sind Anker: Wenn es Verunsicherungen gibt, greift man auf althergebrachte Muster zurück“, sagt Unger. Auch soziale Medien könnten eine Rolle spielen: „Im Internet ist alles nackt und über-sexualisiert. Das Bedürfnis, sich zu bedecken, kann eine Antwort darauf  sein.“ Und trotz feministischer Erfolge der letzten Jahre ist laut der Expertin noch immer ein trauriger Umstand Realität: „Sobald Frauen im Bikini sind, sobald sie nackt sind, haben sie mit Übergriffen zu rechnen.“

Die nackte Brust einer Frau als Einladung, hin zu greifen, sei eine Fehlinterpretation aus sexistischen Denkweisen. Manche Frauen würden sich  verhüllen, damit Männer ihre Triebe besser kontrollieren können: „Die Verantwortung  wird so auf die Frauen gelegt – das kennen wir nicht nur aus dem Islam“ , sagt Unger.

Laut einer deutschen Umfrage vom letzten Jahr sind junge Männer im Vergleich mit älteren weniger begeistert davon, wenn Frauen  im Schwimmbad  ihre Brüste zeigen. „Es existiert die Meinung, dass der weibliche Körper nicht für alle Blicke zur Verfügung stehen soll, sondern nur für bestimmte – etwa jene des eigenen Partners“, sagt Unger.

Selbstbestimmung

In der Öffentlichkeit selbst darüber zu bestimmen, wann und wie eine Frau ihre Brust zeigt, schränkt demnach die Macht der Männer über ihre Partnerinnen ein.

Feministinnen gehe es darum, ihren Körper weder zeigen noch verstecken zu müssen. Das Ziel sei ein unaufgeregter Umgang damit: „Eine Ent-Sexualisierung, aber ohne Sexualität tabuisieren zu wollen. Sexualität sollte Freude bedeuten und kein Machtinstrument sein“, sagt Unger. Mehr als über "Oben ohne" müsse man über sexistisches Verhalten von Männern und die Übergriffe in Schwimmbädern diskutieren.

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