Massive Proteste in Serbien: 37 Verhaftungen, Vučić spricht von "Debakel"
Zusammenfassung
- Bei Protesten in Belgrad kam es zu Ausschreitungen und 37 Festnahmen, darunter der Aktivist Vladimir Štimac.
- Präsident Vučić bezeichnete die Krawalle als "Debakel" und entschuldigte sich bei Studierenden, deren Skepsis gegenüber seiner Reue jedoch anhält.
- Während einer Gedenkveranstaltung und parallelen Protesten kam es zu weiteren Auseinandersetzungen, Hungerstreik und Forderungen nach Aufklärung und Neuwahlen.
Das serbische Innenministerium gab am Sonntag bekannt, dass es wegen der Störung der öffentlichen Ordnung vor dem Parlament in der Hauptstadt Belgrad zu Festnahmen gekommen sei. Unter den Inhaftierten soll sich auch der ehemalige serbische Basketballnationalspieler und Aktivist Vladimir Štimac befinden.
Regimenahe Boulevardzeitungen berichteten, Štimac habe vor dem Regierungsgebäude zu Gewalt aufgerufen. Präsident Aleksandar Vučić bezeichnete die Krawalle vom Wochenende als "Debakel". In der regierungsnahen Zeitung und im TV-Kanal Informer erklärte er, die Demonstrierenden, die bei den anhaltenden Protesten Rechtsstaatlichkeit und ein Ende der Korruption im Land fordern, hätten sich entschlossen, das "Widerstandssymbol" anzugreifen.
Vučićs (späte) Reue
Am Freitag vor der Kundgebung in Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens, hatte sich Vučić überraschend bei den Studierenden, die er noch im August 2025 als Terroristen bezeichnet hatte, entschuldigt. Serbische Medien vermuten, dass Vučić von der internationalen Presse, die großes Interesse an den Geschehnissen in Novi Sad zeigte, in die Knie gezwungen wurde. "Ich nehme meine Fehler nicht auf die leichte Schulter, sie verfolgen mich", sagte der serbische Präsident.
Doch sowohl die Studierenden als auch die Professoren zweifeln an der Reue des Präsidenten: "Sie ist maßlos überfällig und nicht aufrichtig. Die ehrlichste Handlung wäre die Ausrufung von Neuwahlen", sagte Smiljana Milinkov von der Philosophischen Fakultät in Novi Sad gegenüber N1.
Ausschreitungen vor dem Parlament
Es scheint, als wäre diese Skepsis berechtigt, denn Aleksandar Vučićs Bereitschaft zum Dialog mit den Regierungsgegnern hielt nur 48 Stunden lang. Am Samstag fand anlässlich des ersten Jahrestags des Bahnhofsunglücks am 1. November 2024 eine Gedenkveranstaltung statt. 16 Menschen waren bei ums Leben gekommen.
Nach Angaben der Polizei sollen rund 39.000 Menschen teilgenommen haben, laut dem nichtstaatlichen Archiv öffentlicher Kundgebungen waren jedoch etwa 110.000 Menschen vor Ort. Auch in anderen Städten Serbiens versammelten sich Menschen zu Protesten. In Belgrad versammelten sich rund 500 Protestierende vor der Nationalversammlung.
Im Pionierpark gegenüber dem Parlament, wo immer wieder Vučić-Anhänger campen, kam es ebenfalls zu Ausschreitungen. Der Park wird auch spöttisch "Caciland" genannt, "Caci" steht für das falsch geschriebene "Djaci" (Schüler). Das Wort tauchte in dieser Form erstmals in Novi Sad auf und hat sich im Wortschatz der Protestbewegung etabliert. Laut serbischen Medien wurden im Park Flaschen und Steine geworfen, in den sozialen Medien wurde dazu aufgerufen, "Caciland zu zerstören".
Flaschen und Feuerwerkskörper
Parallel dazu trat Dijana Hrka, die Mutter eines der Opfer des Bahnhofsunglücks von Novi Sad, vor dem Parlament in einen Hungerstreik. In einer emotionalen Rede, sagte Hrka, dass sie endlich erfahren müsse, wer ihren Sohn und die anderen 15 anderen Menschen getötet habe. Sie fordert Aufklärung und Rechenschaft von jenen, die für den Einsturz des Bahnhofdaches verantwortlich sind. Außerdem verlangt sie die Freilassung aller während der monatelangen Proteste festgenommenen Studierenden sowie die Ausrufung von Neuwahlen.
Laut Augenzeugen wurden Demonstrierende, die sich um Hrka versammelt hatten, von den Campbewohnern zunächst mit Flaschen und in weiterer Folge auch mit pyrotechnischen Mitteln angegriffen. Die Gegenseite reagierte mit ähnlichen Aktionen. Die Polizei soll Medienberichten zufolge nicht eingeschritten sein, verstärkte jedoch die Absperrung zwischen den beiden Gruppen. Sie beschuldigte stattdessen die Regierungsgegner, die Krawalle provoziert zu haben. Bei den Ausschreitungen soll auch ein Polizist verletzt worden sein.
In mehreren serbischen Städten, darunter Novi Sad, fanden Kundgebungen zur Unterstützung von Dijana Hrka statt.
Kommentare