Wieso Nordirland ins Kreuzfeuer eines EU-US-Handelskriegs geraten könnte

Nordirland hat es eigentlich schwer genug. Das Pflaster des Friedens zwischen pro-irischen Katholiken und pro-britischen Protestanten klebt auch 27 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen nur lose. Die Tore in der Belfaster Friedensmauer werden des Nachts immer noch geschlossen. Vergangenen Sommer waren die landesweiten Unruhen hier besonders heftig.
Doch nun könnte das ohnehin wirtschaftlich schwache Land auch noch unter einem Handelskrieg zwischen Europa und Amerika leiden.
Am 12. März verhängten die USA Einfuhrzölle von bis zu 25 Prozent auf alle Einfuhren von Stahl und Aluminium. Die Antwort der EU kam unverzüglich: Bereits am 1. April wollte Brüssel das erste Paket an Gegenmaßnahmen losschicken, am 12. April sollte das zweite Paket verabschiedet werden. Mittlerweile aber bremste die EU: Bis Mitte April soll weiter mit den USA verhandelt werden, erst dann sollen die Gegenmaßnahmen in Kraft treten.
Kommt es bis Ende April zu gar keinem Verständnis, will Trump "wechselseitige Zölle" auf Produkte aus der EU einheben, etwa Autos oder Pharmaprodukte.
Nun bedeutet eine stark vernetzte Weltwirtschaft, dass keine Region vor Auswirkungen eines Handelskriegs gefeit wäre.

„Aber“, analysiert Billy Melo Araujo, Rechts-Professor an der Queen’s University für den Think-Tank „UK in a Changing Britain”: „Nordirland steht aufgrund des rechtlichen Rahmens, der nach dem Brexit gilt, vor besonders komplexen Herausforderungen.“
Nordirland im EU-Binnenmarkt
Großbritannien gab den Iren im Karfreitagsabkommen ein zentrales Versprechen: keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland. 20 Jahre später nahm Großbritannien das nicht ganz ernst: Mit dem EU-Austritt wurde die Grenze zwischen Irland und Nordirland zur EU-Außengrenze.
Eine Lösung zu finden, die England und EU zufriedenstellte, war eines der zähesten Punkte in den Brexit-Verhandlungen. Das im Februar 2023 endlich beschlossene Windsor Framework sieht vor, dass Nordirland im Wesentlichen Teil des EU-Binnenmarkts für Waren bleibt. Eine Regelung, die Nordirland nun teuer zu stehen kommt.
Während es in England, Schottland und Wales vorerst keine Preisveränderungen geben dürfte, weil das Vereinigte Königreich keine Zölle gegen die USA erhebt, müsste sich Nordirland an die EU-Tarife anschließen.
Kompliziert und herausfordernd
Laut Joël Reland, leitender Forscher von „UK in a Changing Europe“, in Politico könnten Importeure in Nordirland die Differenz zwischen britischen und EU-Zöllen zurückzufordern, wenn es ihnen gelingt, nachzuweisen, dass die Waren nicht in die EU gelangen werden. „Ich kann mir aber vorstellen, dass die Rückforderung von Zöllen das Leben für nordirische Importeure noch komplizierter machen wird.“

Die Tore in der Belfaster Friedensmauer werden des Nachts geschlossen
Nordirische Unternehmer stünden ohnehin vor großen Herausforderungen, argumentierten Abgeordnete im Unterhaus: Immer weniger britische Firmen würden in die Region liefern; für einige sei es einfacher, nach Japan zu exportieren als nach Nordirland.
Artikel 16
„Welche Gespräche“, fragte daher der konservative Abgeordnete Alex Burghart, „hat der Generalzahlmeister mit seinen europäischen Amtskollegen geführt, um sicherzustellen, dass Nordirland nicht ins Kreuzfeuer eines Handelskrieges gerät?“
Die Antwort des Kabinettchefs, dass man die UK-US-Beziehungen pflege und die Situation in Nordirland genau beobachte, beruhigte Burghart nicht: „Kann er unseren Freunden in Europa klar machen, dass wir nicht zögern werden, unsere Befugnisse nach Artikel 16 des Windsor Frameworks zu nutzen?“
Artikel 16 erlaubt es England oder der EU, vorübergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn bei der Anwendung des Nordirland-Protokolls ernsthafte Probleme auftreten.
Wie teuer das Windsor Framework Nordirland kommen könnte, wurde unlängst deutlich: Ende Oktober 2024 traten die erhöhten Einfuhrzölle von 45 Prozent auf Elektroautos aus China in Kraft. Eine Tariferhöhung, die Nordirland umsetzen musste - nicht aber der Rest der Vereinigten Königreichs.
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