Nach Krim-Explosionen: Warten auf russische Antwort
Zwischen acht und 15 russische Kampfjets wurden bei den Explosionen am Stützpunkt Saki im Westen der Krim zerstört – es dürfte darauf ankommen, wie man „zerstört“ definiert. Fakt ist: Die Lagerhäuser, in denen sich Munition befand, sind explodiert – das zeigen Satellitenaufnahmen eindeutig. Die Frage ist nur noch: Waren es Raketen mit höherer Reichweite oder Saboteure? Auf ersten Blick sehen die Krater auf den Fotos aus wie Raketeneinschläge – allerdings liegen diese Krater genau dort, wo zuvor russische Munition gelagert war.
Egal wer oder was diese Explosionen herbeigeführt hat - die russische Version eines Missgeschicks außen vorgelassen – es muss die russische Führung beunruhigen. Trifft der Fall der Raketen zu, haben die USA der Ukraine die taktische Rakete „MGM-140 ATACMS“, die von einem HIMARS abgefeuert werden kann, bereits geliefert. Bisher hatte Washington davon abgesehen, da die Reichweite dieser Rakete tief in russisches Staatsgebiet wirken kann. 300 Kilometer weit kann ein HIMARS die MGM-140 ATACMS feuern. Möglich, aber weniger wahrscheinlich wäre eine selbstgebaute Rakete der Ukraine.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass ukrainische Saboteur mit Drohnen die Munitionslager beschossen hatten. Auch das würde eine massive Sicherheitslücke der Russen offenlegen, die die Krim stets als sicher eingestuft hatten. Dass die Ukraine nun tatsächlich die Krim angreift, könnte die Gewaltspirale des Krieges noch weiter nach oben treiben: Erst im Juli erklärte der russische Ex-Präsident Medwedew, dass ein ukrainischer Angriff auf die Krim zum "Tag des Jüngsten Gerichts" für die ukrainische Regierung werden würde. Bis jetzt ist das nicht eingetreten.
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak äußerte sich in einer Mitteilung an Reuters zu den Schäden: "Offiziell bestätigen oder dementieren wir nichts ... wir müssen bedenken, dass es mehrere Epizentren von Explosionen zur gleichen Zeit gab."
Dass der Einsatz von neuen Raketen mit höherer Reichweite den Krieg entscheiden würde, ist jedoch übertrieben. Die aktuelle Front ist länger als 1.000 Kilometer – das ist die Strecke zwischen Wien und Paris. Mit den eventuell 16 HIMAR-Systemen können die ukrainischen Streitkräfte den russischen Truppen zwar Verluste zufügen, ihren Vormarsch verhindern, sie aber nicht besiegen.
Russen am Vormarsch
Fakt ist: Ehe die ukrainischen Truppen einen Fuß auf die Krim setzen könnten, müssten sie die Front bei Cherson durchbrechen, den Fluss Dnepr überqueren und im Anschluss 90 Kilometer Steppengelände einnehmen. Und derzeit ist von einer großen „Gegenoffensive“ nicht viel zu sehen. Vielmehr bombardieren die ukrainischen Streitkräfte taktisch wichtige russische Stellungen und Brücken über den Fluss Dnepr mit Artillerie. Dieses sogenannte „Shaping“ soll die Voraussetzungen für eine Offensive schaffen. Der Financial Times erklärten ukrainische Vertreter indes, man habe nicht genügend Kapazitäten, bereits jetzt einen Angriff zu starten – es sei wahrscheinlicher, dass dieser erst 2023 erfolgen könne. Es mehren sich die Anzeichen, dass eine ukrainische Offensive nicht stattfinden wird.
Doch auch die russischen Truppen vermehren ihre Angriffe im Raum Cherson – und ziehen seit Juni mehr Truppen zusammen. Gleichzeitig rücken sie im Donbass weiter vor, sollen in die Vororte der Stadt Bakhmut vorgedrungen sein. Auch bei Horliwka, nördlich von Donezk, stürmten sie laut ukrainischen Angaben Stellungen „mit teilweisem Erfolg“.
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