Nach jahrzehntelangem Konflikt: Atommüll-Lager Gorleben endgültig abgeblasen

Atommüll-Endlagersuche
Die deutsche Bundesregierung beschloss, das geplante Lager für hochradioaktiven Atommüll wieder mit Salz zu füllen.

Das einst als Atommüll-Endlager in Betracht gezogene Bergwerk Gorleben in Niedersachsen wird geschlossen. Das deutsche Umweltministerium beauftragte den Betreiber nach eigenen Angaben vom Freitag mit der Stilllegung. "Das Kapitel Endlager Gorleben wird ab dem heutigen Tag geschlossen", erklärte Staatssekretär Jürgen Flasbarth. "Ich hoffe, dass im Wendland nun die Wunden heilen können, die der jahrzehntelange Streit um Gorleben gerissen hat."

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hatte bereits im September 2020 entschieden, dass sich der Salzstock Gorleben nicht als Endlager für Atommüll eigne. Auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) erklärte nun: "Ab heute gibt es keine Hintertür mehr."

Der Salzstock im Norden Niedersachsens war seit vielen Jahrzehnten als Atommüll-Endlager im Gespräch. Die diesbezüglichen Erkundungen wurden bereits Ende der 1970er Jahre begonnen. Zudem existiert in Gorleben seit 1995 ein Atommüll-Zwischenlager. Transporte dorthin aus französischen Atommeilern riefen in den vergangenen Jahren immer wieder Proteste und Blockaden von Umweltaktivisten hervor.

 

1977: Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) gibt Gorleben als den möglichen künftigen Standort für ein zentrales sogenanntes Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) für abgebrannte Brennelemente bekannt. Dazu soll auch ein Endlager gehören.

1979: Aufgrund des großen Widerstands verzichtet die Regierung in Hannover darauf, in Gorleben ein großes NEZ bauen zu wollen. An der Erkundung des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager aber hält sie fest. Erste Arbeiten beginnen im Frühjahr 1979.

1980: Tausende Atomkraftgegner gründen bei Gorleben die "Freie Republik Wendland" und bauen ein Hüttendorf, das eine Ikone der Umweltschutzbewegung wird. Dieses wird nach etwa einem Monat von der Polizei in einem Großeinsatz geräumt und abgerissen.

1982: In Gorleben startet der Bau eines Zwischenlagers, in dem Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll untergestellt werden sollen. Es kommt zu weiteren teils gewaltsamen Protesten.

1983 und 1984: Im Oktober 1983 stimmt die Bundesregierung der unterirdischen Erkundung des Salzstocks Gorleben zu. Im Oktober 1984 findet ein erster Atommülltransport aus dem Atomkraftwerk Stade in eines der Zwischenlager von Gorleben statt. Es folgt der erste "Tag X" von Atomkraftgegnern, die ihn stoppen wollen.

1986: Am Salzstock Gorleben beginnt im März der Bau von zwei Schächten für ein sogenanntes Erkundungsbergwerk. Klagen vor Gerichten stoppen die Arbeiten aber. Die Fertigstellung des Bergwerks wird erst 1996 nach zehnjähriger Bauzeit beendet.

1995: Im April startet ein erster Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll aus dem Atomkraftwerk Philippsburg in Richtung Gorleben. Tausend Atomkraftgegner stellen sich ihm entgegen, es gibt Besetzungen und Anschläge auf Bahnanlagen. Der Schutz des Castors ist der bis dahin größte Polizeieinsatz in Deutschland.

2000: Die damalige rot-grüne Bundesregierung und die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke vereinbaren den Atomausstieg. In diesem Zusammenhang soll die Erkundung des Salzstocks Gorleben für maximal zehn Jahren unterbrochen werden, um weitere Fragen zur Eignung zu klären. Im Oktober werden die Arbeiten gestoppt.

2001 und 2002: Weitere Castor-Behälter machen sich auf den Weg nach Gorleben in das Atommüll-Zwischenlager. Im Dezember 2002 legt ein vom Bundesumweltministerium eingesetzter Arbeitskreis Endlagerstandortsuche (AkEnd) Vorschläge für eine Suche nach einem Endlager vor, bei der mehrere Standorte verglichen werden.

2009: Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung vereinbart im Oktober 2009 grundsätzlich, die vor einigen Jahren gestoppten Erkundungsarbeiten in Gorleben wieder zu starten. Die Arbeiten werden letztlich ab Oktober 2010 allmählich wieder aufgenommen, zwischenzeitlich jedoch teilweise erneut wieder unterbrochen.

2011: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Vertreter der Bundesländer vereinbaren im November im Rahmen des Atomausstiegs nach Fukushima eine "ergebnisoffene" bundesweite Endlagersuche. Details sollen in einem Gesetz geklärt werden.

2013: Die Bundesregierung und die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen einigen sich auf einen Kompromiss für das Gesetz, das den Ablauf der geplanten nationalen Endlagersuche festlegen soll. Eine Kommission soll Empfehlungen dazu vorbereiten. Alle Erkundungsarbeiten in Gorleben werden bis auf Weiteres gestoppt.

2016: Die Bund-Länder-Kommission zur Endlagersuche stellt ihre Vorschläge für den Neustart des Auswahlverfahrens vor. Demnach sollen diverse Standorte geprüft werden, Gorleben bleibt aber im Rennen. Atomkraftgegner kritisieren dieses Ergebnis scharf.

2017: Nach jahrzehntelangen Konflikten beschließt der Bundestag im Frühjahr 2017 das Endlagersuchgesetz. Die Entscheidung zum Standort soll bis 2031 in einem ergebnisoffenen Prozess fallen.

2020: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) schließt den Salzstock Gorleben im September 2020 in einem Zwischenbericht zur Endlagersuche wegen geologischer Mängel als Standort aus.

2021: Die Bundesregierung entscheidet im September 2021, dass das Bergwerk geschlossen und wieder mit Salz aufgefüllt wird.

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