USA warnten vor Terror-Boss

In der IS-Propagandzeitschrift Dabiq prahlte Abdelhamid Abaaoud damit, zwischen Europa und Syrien hin- und herzureisen, ohne erwischt zu werden.
Der getötete Drahtzieher der Pariser Attentate war seit Mai im Visier des FBI. Heftige Kritik an der Arbeit des belgischen Geheimdienstes.

Der Drahtzieher der Attentate von Paris ist tot. Wie der Staatsanwalt am Donnerstag bestätigte, starb der 28-jährige Abdelhamid Abaaoud am Mittwoch bei der Hauserstürmung in Saint Denis bei Paris. Abaaoud war seit Jahren im Visier der Geheimdienste. Mehr noch: In einem achtseitigen, nicht vertraulichen Bericht des FBI und des US-Heimatschutzministeriums wird Abaaoud im Mai als Kopf jener Terror-Zelle genannt, der hinter dem vereitelten Anschlag im belgischen Verviers vom Jänner gestanden haben soll. Von Athen aus habe er die Operation gesteuert.

Der 28-Jährige galt als der meistgesuchte Islamist Belgiens. Doch trotz Überwachung habe er sich in Europa relativ frei bewegt: Neben Belgien und Frankreich soll er etwa auch Deutschland bereist haben – obwohl ihn die Belgier beim Schengener Informationssystem (SIS) gemeldet hatten. Mehrmals habe er seit 2014 zudem die Strecke BrüsselSyrien zurückgelegt, ohne dabei von den Behörden gestoppt zu werden. Die Frau, die sich bei dem Polizeizugriff nahe Paris in die Luft gesprengt hat, war seine Cousine.
Sechs der Paris-Attentäter sollen zwischen Europa und dem IS-Gebiet hin- und hergereist sein. Trotz Überwachung, trotz konfisziertem Pass, trotz Einstufung als Gefährder. Man kannte die Attentäter. Man wusste, wie sie heißen, wo sie wohnen und wann sie in Syrien waren. Schon am Tag nach den Attentaten sind Wohnungen im Brüsseler Viertel Molenbeek durchsucht worden. Gestern wurden neun Personen festgenommen, die einen Bezug zu den Anschlägen haben sollen. Doch warum konnte man die Terroristen nicht stoppen?

Dünner Geheimdienst

Kritik am belgischen Geheimdienst wird spätestens jetzt laut. Mindestens vier der Attentäter lebten in Brüssel. Sie waren den Behörden bekannt, doch „es gab keine Anzeichen einer Bedrohung“, so die Staatsanwaltschaft. Deshalb konnten auch keine Informationen an Frankreich weitergegeben werden.
Dabei gibt es sogar personellen Austausch zwischen dem französischen und belgischen Geheimdienst. Die Kooperation sei „sehr gut“, doch „die belgische Polizei hat die Ressourcen nicht, diese Leute 24 Stunden zu überwachen“, so der Sprecher.

Und es gibt weitere Schwachpunkte: Während französische Dienste Terrorverdächtige ohne Anklage bis zu sechs Tage festhalten können, sind es in Belgien nur zwei Tage; Hausdurchsuchungen sind zwischen 21 und 5 Uhr verboten. Hinzu kommen administrative Hürden und – bei drei Amtssprachen – sprachliche. Außerdem sei ein großes Problem, dass nicht genügend Mitarbeiter des Arabischen mächtig sind. Man arbeite an einer Verbesserung, hieß es. Personelle Ressourcen, aber auch finanzielle sollen dabei aufgestockt werden: 400 Millionen Euro kündigte Premier Charles Michel an. Der anonyme Kauf von Handy-SIM-Karten wird verboten. Zudem sollen laut Gesetzesentwurf Gefängnisse besser hinsichtlich Radikalisierung überwacht werden. Syrien-Heimkehrer sollen sofort inhaftiert werden dürfen. Um die 130 sollen sich derzeit in Belgien aufhalten. Man könne davon ausgehen, dass etwa jeder zehnte einen Anschlag plant, so Andrew Parker vom britischen Geheimdienst MI5.

Austausch in Europa

Während von vielen Seiten strengere Kontrollen an den EU-Außengrenzen gefordert werden, ist zumindest eines allen klar: Der freie Personenverkehr innerhalb der Schengengrenzen macht einen besseren Austausch der Geheimdienste wichtiger. Und eine bessere Überwachung. Doch diese steht oft in Konflikt mit persönlichen Freiheiten. Und zahlreiche alternative Kommunikationsmöglichkeiten erschweren die Arbeit.

Die grenzüberschreitende Kooperation in der Terrorismusbekämpfung bereite den Sicherheitsbehörden in Europa große Probleme. Der Austausch finde nicht ausreichend oder zu spät statt, klagt der Chef der europäischen Polizeibehörde Europol, Rob Wainwright. Er betont, seine Organisation sei "kein europäisches FBI". Mit 1.1. soll bei Europol ein neues Antiterror-Zentrum gestartet werden.

Nach jeder Terror-Attacke – auch nach Charlie Hebdo – versprechen europäische Geheimdienste, sich besser abzustimmen. Doch der Anti-Terror-Kampf blieb bisher weitgehend in nationaler Hand.

Einer der Attentäter, Salah Abdeslam, ist unterdessen weiter auf der Flucht. Ob er vielleicht bereits in Syrien ist, ist nicht bekannt.

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