Mueller-Ermittlungen: Entlastung mit Einschränkungen
19 Anwälte und 40 FBI-Agenten haben zur Aufklärung der Russland-Affäre über 2800 Vorladungen und 500 Durchsuchungsbefehle ausgestellt, 13 Regierungen und Vollzugsbehörden im Ausland um Amtshilfe gebeten sowie 500 Zeugen befragt. Das Ergebnis nach 22 Monaten laut Sonder-Ermittler Robert Mueller: Es gibt keine Beweise für eine konspirative Absprache des Trump-Teams mit russischen Stellen im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl 2016. Ob Trump die US-Justiz behindert hat, ließ der frühere FBI-Chef dagegen bewusst offen. Während Trump sich vollständig rehabilitiert sieht, halten die Demokraten die innenpolitische Krise nicht für ausgestanden. Das Wichtigste im Überblick:
Geht Trump gestärkt aus der Sache hevor?
Seine Anhänger und viele Republikaner sagen: eindeutig ja. Sie werten den Befund von Justizminister Barr, der den Mueller-Bericht ausgewertet hat, als Freispruch erster Klasse für einen fälschlicherweise politisch Verfolgten. Trump könne daraus für die Wahl 2020 Honig saugen, indem er die Demokraten als Saboteure hinstellt, die ihn mit letztlich haltlosen Verdächtigungen aus dem Amt jagen wollten, heißt es. Der Präsident selbst regte bereits eine Untersuchung gegen Vertreter von Justiz und Polizei an, die 2017 den Verdacht der Kumpanei mit Russland als Anlass zu offiziellen Ermittlungen nahmen.
Was entgegnen die Demokraten?
Gegner und Kritiker des Präsidenten erinnern an die Ursprünge. Der Auftrag an Robert Mueller ging von Trumps eigenem Justizministerium aus. Mueller hatte nie die Weisung, etwas gegen Trump zu finden - sondern einen aus Sicht des Ministeriums und des FBI seinerzeit nachvollziehbaren Anfangsverdacht glaubhaft zu erhärten oder zu widerlegen. Ob er dies, wie Barr in seiner kurzen Zusammenfassung andeutet, nachhaltig positiv für Trump gemacht hat, könne aber erst die Lektüre des kompletten Berichts ergeben; samt aller Materialien und Zeugen-Aussagen. Für die Veröffentlichung hatten sich zuletzt 420 Abgeordnete im Kongress ausgesprochen. Zum anderen dürfe nicht in Vergessenheit geraten, dass Trump, sein Team, seine Familie und sein Unternehmen in über zehn weiteren Ermittlungsverfahren anderer Justiz-Ebenen steckten. Sie reichten von Schweigegeldzahlungen an einen Porno-Star bis hin zu Zahlungen aus dem Ausland an das Komitee zur Amtseinführung Trumps.
Welcher Gefahr sind die Demokraten ausgesetzt?
Muellers pauschales Nein zum Verdacht einer Verschwörung der Trumpianer mit Russland wird in Teilen der Öffentlichkeit noch anhängigen Verfahren und Verdachtsmomenten gegen den Präsidenten und seine Leute automatisch die Sprengkraft nehmen. Es sei denn Gerichte schaffen in der Zwischenzeit neue Fakten. Das im Kongress von den Demokraten gerade aufgesetzte parallele Untersuchungsverfahren, eine Art Mueller II, könnte in Legitimationsnöte kommen. Die Republikaner (und mit ihnen viele Amerikaner, die nach zwei Jahren Dauer-Russland-Affäre ausgelaugt sind) werden die Opposition als schlechte Verlierer abkanzeln, die Nachhutgefechte betreibt anstatt sich realer Probleme anzunehmen. Je länger die Demokraten versuchen, die besseren Mueller & Co. zu sein, desto mehr könnten sie Trump bei seinen Wiederwahl-Ambitionen in die Hände spielen.
Ist die Erzählung über die Einmischung Moskaus in die Wahl 2016 damit nur noch heiße Luft?
Im Gegenteil. Dass Russland eine Kampagne zur Wahlbeeinflussung betrieben hat, ist durch Robert Muellers Arbeit abermals beglaubigt worden. Moskau verübte einen aufwendigen Cyberangriff auf die US-Demokraten, brachte die dort gestohlenen Dokumente via Wikileaks an die Öffentlichkeit und orchestrierte in sozialen Netzwerken mithilfe von gefälschten Teilnehmer-Konten einen regional passgenauen Propagandakrieg gegen die Demokratin Hillary Clinton. Umso wichtiger ist die Antwort auf die Frage: Was unternimmt die Regierung Trump, um einen Wiederholungsfall 2020 zu verhindern, den die US-Geheimdienste bereits im Anmarsch sehen? Hier herrscht seit Monaten Sprachlosigkeit.
Ist das alles?
Dass Mueller Trump und dessen Leuten keine kriminelle Kollaboration mit Russland nachweisen konnte, schmälert nicht die Zwielichtigkeit vieler Personen, die nahe an Trump waren. Ex-Wahlkampf-Manager Paul Manafort, Ex-Anwalt Michael Cohen, Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, die außenpolitischen Zuträger Carter Page und George Papadopoulos, der Wahlkampf-Manager Rick Gates, der Unterstützer Roger Stone - sie alle sind längst der Lüge überführt, verurteilt worden oder erwarten ihre zum Teil hohe Haftstrafe noch. Bis heute ist offen, warum sie unter Eid die Unwahrheit gesagt haben. Vor allem dann, wenn es um Russland ging.
Was wirkt am stärksten so kurz nach Bekanntwerden der ersten Versatzstück der Mueller-Untersuchung?
Warum hat Robert Mueller die Frage, ob Trump sich der Justizbehinderung schuldig gemacht hat, nicht eindeutig beantwortet? Die Entlassung von FBI-Chef James Comey, den Trump nach eigenen Worten auch deshalb vor die Tür setzte, weil er die Ermittlungen in der Früphase der Russland-Affäre nicht einstellen wollte, gilt bis heute als Paradebeispiel für eine mögliche Überdehnung präsidialer Befugnisse. Laut Barr ließ Mueller Pro- und Argumente für den Verdacht der „obstruction of justice“ nebeneinander stehen. Insider vermuten, dass Mueller dies nicht aus Feigheit getan hat. Sondern weil er der Auffassung ist, das hier eine politische Wertung vorgenommen werden muss. Sprich: der Kongress soll den Daumen senken oder heben. William Barr hat diese Kalkulation durchkreuzt. Binnen 48 Stunden entschied er, wozu sich Mueller nach 22 Monaten nicht in der Lage sah: Trump kann keine Justizbehinderung begangen haben. Weil es das dazu nötige „kriminelle Tun“ im Hintergrund, in diesem Fall die angenommene Kungelei mit Wahlhelfer Moskau, nicht gegeben hat. Ein logischer Zirkel, der Kontroversen auslöst. Auch darum wollen die Demokraten Robert Mueller zeitnah im Kongress als Zeugen vorladen.
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