Mitten im Gewaltchaos steigen Netanjahus Chancen, israelischer Premier zu bleiben

Mitten im Gewaltchaos steigen Netanjahus Chancen, israelischer Premier zu bleiben
Sein größter Rivale für den Posten scheiterte de facto dabei, eine Regierung zu bilden - wie Netanjahu davor. Jetzt drohen abermals Neuwahlen, es wären die fünften binnen zwei Jahren.

Die Unruhen zwischen Juden und Arabern in Israel im Zuge des sich zuspitzenden Nahost-Konflikts führen für Ministerpräsident Benjamin Netanyahu zu steigenden Chancen auf einen Machterhalt. Sein derzeit schärfster Rivale auf das Amt, Yair Lapid, erlitt einen schweren Rückschlag beim Vorhaben, eine Regierung ohne Netanyahu zu bilden. Die ultranationalistische Yamina-Partei, Königsmacher nach der Parlamentswahl vom 23. März, erklärte, Gespräche mit Lapid zu beenden und stattdessen eine breitere Einheitsregierung anzustreben. Dies sei in Zeiten einer Krise im Interesse des Landes, sagte Yamina-Chef Naftali Bennett.

Mitten im Gewaltchaos steigen Netanjahus Chancen, israelischer Premier zu bleiben

Ultranationalist Naftali Bennett (re.) gab Yair Lapid einen Korb

Lapid ist aktuell mit der Regierungsbildung beauftragt, nachdem Netanyahu daran gescheitert war. Zuletzt führte Lapid Gespräche mit Bennett zur Bildung einer „Regierung des Wandels“. Um dies zu erreichen, wären beide im Parlament aber auch auf Stimmen arabischer Abgeordneter angewiesen. Angesichts der Unruhen zwischen israelischen Juden und israelischen Arabern sei das Vorhaben aber erledigt und Netanyahu komme wieder ins Spiel, schrieb die Zeitung „Maariv“ am Freitag. Andere Beobachter erklärten, Netanyahu bekomme nun Extra-Zeit für politische Manöver, die ihn an der Macht halten könnten. Der 71-Jährige, den seine Anhänger „King Bibi“ nennen, war erstmals von 1996 bis 1999 Ministerpräsident und regiert seit 2009 erneut.

Szenario: Fünfte Wahl

Lapid kündigte zwar an, die Gespräche zur Regierungsbildung fortzusetzen, und er hat dazu auch noch drei Wochen Zeit. Für das wahrscheinlichste Szenario halten Beobachter nun aber - wieder einmal - Neuwahlen. Es wären die fünften binnen zwei Jahren. Die bisher letzte war am 23. März und hatte zu einem weitgehenden Patt geführt. Netanyahus rechtsgerichtete Likud-Partei hatte weiter Stimmen eingebüßt und es gelang ihm nicht, genügend Partner für die Bildung einer Regierung zu finden. Wähler hatten sich auch deshalb vom Likud abgewandt, weil gegen Netanyahu ein Gerichtsprozess wegen des Verdachts auf Korruption und Machtmissbrauch läuft. Netanyahu weist die Vorwürfe zurück.

Beobachter hatten betont, Netanyahu müsse auch die USA als wichtigsten Verbündeten Israels im Blick haben. Sollte er eine scharf rechte Allianz eingehen, könne das zu Konflikten mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden etwa beim weiteren Umgang mit den Palästinensern führen.
Die Lage in Israel hatte sich zuletzt wegen der Frage des Umgangs mit den Palästinenser im sich zuspitzenden Nahost-Konflikt verschärft. In einigen Städten kam es zu Gewalt zwischen oftmals nah beieinander wohnenden Juden und Arabern, die ein Fünftel der Bevölkerung stellen. Dabei wurden Menschen und Synagogen angegriffen, Autos und Ladengeschäfte beschädigt. Präsident Reuven Rivlin warnte vor einem Bürgerkrieg.

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