Migranten in Spanien: „Hier trifft bestenfalls Armut auf Armut“

Migranten in Spanien: „Hier trifft bestenfalls Armut auf Armut“
Vom Alltag mit Bootsflüchtlingen rund um Gibraltar - ein KURIER-Lokalaugenschein.

„Die sind schon alle durch für heute. Nur noch ein paar Marokkaner.“ Der Polizist, der den Eingang zu einer schäbigen Fabrikshalle bewacht, hat wenig Lust auf Fragen eines Reporters. Das hier sei eigentlich abgesperrte Zone, hier dürften sogar die örtlichen Hilfsorganisationen nur zu gewissen Zeiten rein.

In der alten Industrieanlage direkt am Hafenbecken des Ortes San Roque muss alles schnell gehen – und das tut es auch, seit Monaten schon.

Den Sommer über waren diese Hallen und das Dutzend Militärzelte davor Brennpunkt der illegalen Einwanderung. In den Fischerorten an der Küste rund um Gibraltar spült es Nacht für Nacht Boote mit Dutzenden Menschen an.

Knapp 20 Kilometer trennen hier die spanische von der marokkanischen Küste auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar. Hier hat man schon vor 15 Jahren die erste große Welle von mit Menschen vollgepackten Booten erlebt, und in diesem Sommer waren es so viele wie schon seit Jahren nicht.

Zehntausende kommen über das Meer

30.000 Menschen, so die offiziellen Statistiken, sind heuer über das Mittelmeer nach Spanien gekommen.

Wenn sie einmal die spanische Polizei am Strand aufgegriffen hat, kommen sie in Zentren wie jenes in San Roque. Maximal 72 Stunden verbringen sie hier, dann hat man sie dokumentiert, medizinisch untersucht und ihre Herkunft festgestellt, soweit das möglich ist.

Wer als Marokkaner identifiziert wird, kommt in eines der örtlichen „Anhaltezentren“. Das sind in vielen Fällen, wie etwa in der Hafenstadt Algeciras, nichts anderes als aufgelassene Gefängnisse. Hinter Gittern und ohne Zugang zur Außenwelt verbringen die Insassen hier ihre Tage, bis sie nach Marokko zurückgeschoben werden.

„Zwei Fähren pro Woche fahren allein von Algeciras“, schildert die Flüchtlingshelferin Encarna von der Organisation „Andalucia Acoge“ die Situation, und die Migranten haben „kaum mehr als Gefängnismauern gesehen“.

Das Schicksal der Schwarzafrikaner verläuft anders. Zurückgeschickt werden die nur in Ausnahmefällen. Haben sie einmal das Zentrum in San Roque passiert, werden sie in der ganzen Gegend verteilt.

Um den Tourismus nicht zu stören, kommen vor allem Orte im Hinterland dran. Platz genug gibt es, wer hier an der Südspitze Andalusiens nicht vom Fremdenverkehr lebt, steckt meist tief in der Armut. Von vielen Industriezweigen sind nur noch die leeren Hallen stehengeblieben, Hafenanlagen stehen leer, auch Sporthallen und Schulen.

Weiter an neues Ziel

Lange bleibt in diesen Zentren ohnehin niemand. Sie sind offen, denn festhalten kann die Polizei die Menschen nicht, wenn sie einmal registriert sind. Früher oder später sind sie aus den Lagern verschwunden.

Manche bleiben vorübergehend in der Gegend, sitzen in Gruppen irgendwo an der Hafenmauer in einem der Küstenorte. Mali, Senegal, Guinea, hier ist alles vertreten. Die meisten machen sich rasch auf den Weg nach Norden. „Fast jeder, der hier ankommt“, erzählt ein örtlicher EU-Beobachter, „hat eine Telefonnummer, eine Adresse, und damit ein Ziel in Frankreich, Großbritannien oder anderswo.“

Das einzige Geschäft, das illegale Einwanderer hier betreiben könnten, wissen die Einheimischen in Algeciras, sei der Drogenhandel. Und der sei längst in festen Händen und gut organisiert.

Ansonsten gebe es, meint eine Gruppe Pensionisten in einer Bar, hier wenig zu holen, weder für die Einheimischen noch die Migranten: „Da trifft bestenfalls Armut auf Armut.“

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