Kaum zu glauben: Britischer Secret Service lüftet seine Geheimnisse
Sie hatte Sommerfruchtgeschmack. Jene Limonadenflasche, mit der Terroristen im August 2006 flüssigen Sprengstoff in ein Flugzeug schmuggeln wollten. Der Einsatz von MI5 und Metropolitan Police am Londoner Flughafen Heathrow, der dies verhinderte, war der größte Antiterroreinsatz der Geschichte – so steht es auf einem kleinen Zusatztext unter der Getränkeflasche, an die mit rotem Band ein Zündungsmechanismus geklebt wurde.
Der britische Secret Service, das liegt in seiner Natur, agiert im Verborgenen. Erst in den späten 1990ern wurde sein Generaldirektor öffentlich genannt, und damit die Existenz des Sicherheitsdienstes bestätigt. Doch nun, 115 Jahre nach seiner Gründung, gibt die MI5 tiefere Einblicke.
Das britische Nationalarchiv in Kew Gardens, wo die Ausstellung "MI5: Officials Secrets" stattfindet.
Im britischen Nationalarchiv in Kew Gardens findet noch bis 28. September die Ausstellung "MI5: Official Secrets" statt.
MI5 stellt aus: Nationalarchiv überlaufen
„Entschuldigung“, sagt die Museumsmitarbeiterin am Eingang und reißt ein Nummernschild ab. „Wir müssen den Eintritt zeitlich staffeln.“ Sie blickt auf ihr Klemmbrett und teilt die erlaubte Eintrittszeit mit. „Wir hatten ja schon mehrere Ausstellungen, aber so einen Andrang hatten wir noch nie.“
Obwohl sich das Archiv abgelegen am südwestlichen Stadtzipfel Londons befindet und es sich um einen normalen Werktag handelt, stehen die Briten Schlange. Konzentriert lesen sie die Erklärtexte zu den Exponaten und machen Fotos von Details, die sie kaum glauben können.
Etwa von der schrumpeligen, 110 Jahre alten Zitrone, die 1915 in der Schublade eines Schminktisches im Haus von Karl Muller gefunden wurde. Als die Polizei fragte, wofür die Zitrone sei, antwortete er: „Meine Zähne“.
Die Polizei war nicht überzeugt. Der Schifffahrtsagent, der sich als russischer Flüchtling ausgab, könnte ein deutscher Spion sein. Und tatsächlich kam heraus, dass die Zitrone dazu verwendet wurde, Geheimbotschaften zu schreiben. Wurde der jeweilige Brief vom Empfänger gebügelt, trat die verdeckte Nachricht zum Vorschein.
Mit der Zitrone als Beweismittel wurde Muller 1915 verurteilt und im Tower of London hingerichtet.
Ein paar Schaukästen weiter findet man eine dunkle Lederaktentasche, die der Cambridge-Spion Guy Burgess vor seiner Flucht nach Moskau im Reform Club in London zurückließ. Sowie den Originalbericht, in dem Doppelagent Kim Philby sei Geständnis ablegte.
Frauen gefragt
Aber auch die Fakten erstaunen. Gegründet im August 1914 mit 17 Mitgliedern hatte der Secret Service vier Jahre später bereits 850 Mitarbeiter angestellt. Dazu kam bald auch eine eigene Abteilung für Briefzensur – MI9 – die 1919 4.861 Angestellte zählte: zwei Drittel davon Frauen.
„Es gibt seit langem ein unbegründetes Vorurteil gegen die Beschäftigung von Frauen als Agenten,“ kann man dem Bericht von Maxwell Knight entnehmen: „Und doch ist es merkwürdig, dass in der Geschichte der Spionage und Gegenspionage ein sehr hoher Prozentsatz der größten Coups von Frauen durchgeführt wurde.“
Wenig später bleibt man an einem Buchstaben hängen: „Letzte Woche“, kann man in Captain Vernon Kells Tagebuch nachlesen, „bat ich ,M‘ nach einer guten Handkamera Ausschau zu halten.“ Die angesprochene Person ist der irische Spionagemeister William Melville. Seine abgekürzte Ansprache ließ Bond-Fans immer wieder diskutieren, ob er Ian Fleming zu seinem Spionagehelden inspiriert hatte.
Amazons Coup
Seit Amazon im Februar die kreativen Rechte an James Bond gekauft haben, wird heftig über den möglichen Nachfolger von Daniel Craig diskutiert.
Hört man auf die Rufe aus der Online-Welt, dann ist Henry Cavill die Wahl des Volkes. Der ehemalige Superman-Darsteller, der „liebend gerne Bond spielen würde“, wurde vor Jahren als Favorit gehandelt. Die am zweithäufigsten genannten Namen sind laut BBC Tom Hardy, Aaron Taylor-Johnson und Idris Elba.
Aber manches bleibt im Verborgenen – ebenso wie in der MI5-Schau selbst.
„Die Ausstellung“, sagte MI5-Generaldirektor Sir Ken McCallum bei der Ausstellungseröffnung, „spiegelt unser Engagement für Offenheit. Aber natürlich“, ergänzte er, „werden wir nie über alles reden können, was wir tun.“ Damit würden sie Informationen preisgeben, die für Gegner nützlich sein könnten.
Und das müsste aktuelle wieder besonders vermieden werden.
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