Selenskij rechnet mit härteren Angriffen wegen EU-Gipfel
Nach Einschätzung des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij wird Russland seine Angriffe diese Woche wegen der EU-Beratungen über das Beitrittsgesuch der Ukraine verstärken. Russlands vermehrte "feindliche Haltung" werde dabei nicht nur die Ukraine betreffen, sondern auch andere europäische Länder, warnte Selenskij am Sonntagabend.
Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU werden die Frage, ob die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten bekommt, auf einem Gipfel am Donnerstag und Freitag erörtern. Es wird erwartet, dass sie den Antrag der Ukraine trotz Bedenken einiger Mitgliedstaaten befürworten werden. Der Beitrittsprozess dürfte sich dann über mehrere Jahre hinziehen.
"Russische Offensive stockt"
Die Kämpfe rund um die ostukrainische Stadt Sewerodonezk laufen auch am heutigen Montag unvermindert weiter. Russland habe den Artillerieeinsatz verstärkt und mehr Angriffstruppen eingesetzt, teilte Selenskij mit. Doch die ukrainischen Verteidiger hielten alle umkämpften Punkte wie Sewerodonezk, das benachbarte Lyssytschansk oder Awdijiwka.
Nach Einschätzung des Institute for the Study of the War (ISW) ist die russische Offensive im Donbass ins Stocken geraten. Russlands Überlegenheit bei der Artilleriebewaffnung reiche bislang nicht für die Einnahme von Sewerodonezk aus.
Britische Geheimdienstexperten sehen die "Schwäche der russischen Luftwaffe" als Grund für den schleppenden Vormarsch in der Ukraine. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese einer der wichtigsten Faktoren hinter den sehr begrenzten russischen Erfolgen seien, hieß es am Montag. Die Luftstreitkräfte hätten bisher bei ihren Manövern Risiken eher vermieden und keine Lufthoheit erlangen können. Dies habe den Druck auf die russischen Bodentruppen erhöht, die mittlerweile zunehmend erschöpft seien.
Nach Einschätzung der Briten verfügen die Russen zwar über kampffähige Flugzeuge, sind aber nicht entsprechend für moderne Luftwaffeneinsätze ausgebildet. Die russische Ausbildung bei der Luftwaffe habe sich mutmaßlich jahrelang stärker darauf konzentriert, hochrangige Militärs zu beeindrucken als dynamische Einsatzszenarien verschiedener Truppen zu trainieren, hieß es.
Russland spricht von "Fortschritten"
Das russische Militär spricht weiter von einer positiven Entwicklung der Offensive. Am Sonntag nahmen die russischen Truppen nach eigenen Angaben Metjolkine ein, einen Vorort der einstigen Großstadt Sewerodonezk.
Zudem sei im Gebiet Dnipropetrowsk ein Führungsgefechtsstand der ukrainischen Streitkräfte mit hochrangigen Offizieren durch einen Raketenangriff zerstört worden. „Durch den Schlag wurden mehr als 50 Generäle und Offiziere der ukrainischen Streitkräfte (...) vernichtet, die im Gebiet Mykolajiw und Saporischschja agieren“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
Außenminister: "Würden mit Schaufeln kämpfen"
Der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba betonte den Kampfeswillen seines Volkes. Die Ukraine würde auch im Falle eines Endes westlicher Waffenlieferungen den Kampf gegen Russland weiterführen. „Wenn wir keine Waffen erhalten, in Ordnung, dann werden wir mit Schaufeln kämpfen, aber wir werden uns verteidigen, denn dieser Krieg ist ein Krieg um unsere Existenz“, sagte Kuleba in der ARD-Talksendung „Anne Will“ am Sonntagabend.
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