Magnus Brunner: "Wir entscheiden, wer nach Europa kommt"

"Wir brauchen die Kontrolle über das, was in Europa passiert. Das hat gefehlt die letzten zehn Jahre", sagt Österreichs EU-Migrationskommissar Magnus Brunner (ÖVP) im APA-Interview in Brüssel.
2015 habe Europa zwar Verantwortung für Millionen von Flüchtenden übernommen, aber "ohne Kontrolle oder Regeln". Das Thema Migration "brennt allen unter den Fingern"; das habe er von Beginn seiner Amtszeit an gespürt. Eine "Festung Europa" will er aber nicht.
Während der Flüchtlingskrise 2015 war er als Bundesrat und in der Energiewirtschaft tätig, "da hat man einen anderen Zugang als in politischer Verantwortung", betont der heutige Kommissar für Migration und Innere Sicherheit. Ihm sei damals aber schon aufgefallen, dass es auf der einen Seite viel Solidarität und humanitäre Hilfe in Österreich, Deutschland und der EU insgesamt gegeben habe, dann aber rasch die Frage aufkam: Kann das auf Dauer funktionieren und wie?
"Menschen das Gefühl zurückgeben, dass wir die Kontrolle haben"
Europa habe damals sehr viel Verantwortung übernommen, aber "im Nachhinein weiß man, dass das alles ohne Kontrolle, ohne Regeln war, vor allem die Kontrolle hat man nicht gehabt", betont der Jurist. "Das ist das, was wir jetzt ändern." Nach vielen Jahren Diskussion gebe es mit dem Asyl- und Migrationspakt "etwas, womit wir den Menschen das Gefühl zurückgeben, dass wir die Kontrolle haben über das, was in Europa passiert". Der Pakt muss bis Juni 2026 umgesetzt werden. Die Reform des EU-Asylsystems sieht zahlreiche Verschärfungen der bisherigen Regeln vor. Ziel ist es, die irreguläre Migration einzudämmen.
In seinen Gesprächen mit den Regierungschefs und -chefinnen und den zuständigen Ministerinnen und Ministern sei klar geworden, "wir brauchen gemeinsame Lösungen als Europäische Union mit den Mitgliedstaaten". Die Frage für ihn ist: "Wie können wir Regeln schaffen, damit die Mitgliedstaaten und wir gemeinsam mit ihnen diese Herausforderungen besser managen können?" Sein Zugang sei: "Wir brauchen ein besseres Asyl- und Migrationsmanagement." Denn klar sei auch, dass der Druck auf die Bevölkerung groß sei, deshalb müsse man "strenger werden".
EU müsse entschlossene, aber faire Regeln schaffen
Brunner will einerseits die illegale Migration bekämpfen, aber auch die Unterschiede zur legalen Migration herausarbeiten: "Das sind die Dinge, die wir jetzt auf den Weg bringen müssen." Die EU müsse nun "Regeln schaffen, die entschlossen sind", aber gleichzeitig "fair bleiben, Respekt vor menschlichem Leid und Menschenrechten haben". Das sei "nicht leicht und sicher herausfordernd, aber wir haben mit dem Pakt eine gute Grundlage". Zahlreiche EU-Länder sind mit diesem allerdings nicht zufrieden.
Laut dem Kommissar stehen alle 27 EU-Staaten hinter dem Pakt. Er sei "nicht perfekt", aber das, worauf sich die Mitgliedstaaten geeinigt hätten. Der Kommissar sagt ein klares "Nein zum Aufschnüren": Die Diskussionen wieder zu beginnen, würde keinen Sinn machen. Ein paar Punkte hätten gefehlt, "die wir zusätzlich geliefert haben". Er nennt die Vorschläge für eine EU-Rückführungsverordnung sowie für sichere Drittstaaten. "Jetzt geht es darum, rasch umzusetzen, Geschwindigkeit ist wichtig." Die Vorschläge der Kommission müssen von den EU-Staaten und dem Parlament abgesegnet werden, um in Kraft treten zu können.
Wenn "wir die illegale Migration besser unter Kontrolle haben, können wir auch besser über die legale Migration reden", dann wäre mehr Verständnis in der Bevölkerung da, argumentiert der Vorarlberger. Denn "für den Arbeitsmarkt werden wir die legale Migration brauchen, die Demografie ist, wie sie ist. Nur müssen wir entscheiden, wer nach Europa kommt, nicht die Menschenhändler". Es gebe bereits Programme für legale Migration, betont Brunner. Es gehe ihm "nicht ums Abschotten", er wolle "keine Festung Europa". Mit einem modernen Grenzkontrollsystem solle die EU die Kontrolle haben, "wer in der EU ist".
Abkommen mit Drittstaaten ergänzen Asylpakt
Mit dem neuen Pakt werden Asylzentren an den Außengrenzen, mit der Rückführungs-Verordnung Rückführungszentren, sogenannte Return Hubs, außerhalb der EU möglich. Brunner betont, er verstehe die Sorgen von NGOs, die Return Hubs außerhalb der EU wegen Menschenrechtsbedenken kritisieren. Darum würden seine Vorschläge auch klare Schutzmechanismen enthalten. Er betont auch die Bedeutung der "externen Dimension": "Mit unseren Regeln wie dem Pakt bringen wir unser europäisches Haus in Ordnung. Diese funktionieren aber nur, wenn wir auch mit Drittstaaten verhandeln."
Sich mehr für Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu engagieren, sei nicht nur wegen Rückführungen wichtig, "sondern viel früher zu Beginn, damit sich Menschen nicht auf den Weg machen". Darum brauche es Abkommen mit Drittstaaten und wahre Migrationsdiplomatie. Als Beispiel nennt er das Abkommen mit der Türkei, das nach der großen Flüchtlingswelle 2015 geschlossen wurde und das funktioniere. Die EU könne sich aber "unsere Geografie und unser Gegenüber nicht aussuchen", meint er zur Kritik, die EU verhandle mit undemokratischen Staaten wie etwa Libyen. Die Führung im Osten Libyens hatte Brunner und weiteren Politikern im Juli die Einreise verweigert. Die Delegation habe die "nationale Souveränität Libyens missachtet", so die Verwaltung des Landesteils.
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