Kurz fordert Italien auf: "Weiterwinken beenden"

Ein Porträt des österreichischen Politikers Sebastian Kurz.
Außenminister verteidigt Brenner-Maßnahmen. EVP-Chef Weber warnt vor "zweitem Idomeni".

"Wir wollen keine Grenzkontrollen am Brenner, aber es kann sein, dass wir dazu gezwungen werden." Mit diesen Worten hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die von Österreich geplanten Maßnahmen an der Brenner-Grenze zu Italien verteidigt. Ein Durchwinken von Flüchtlingen würde die Probleme nicht lösen, sondern noch größer machen, sagte Kurz vor Beginn des EU-Außenrats in Luxemburg am Montag. "Insofern bin ich froh, dass es mit der Westbalkan-Schließung gelungen ist, Flüchtlinge nicht mehr einfach nach Mitteleuropa weiterwinken zu dürfen." Italien brauche natürlich die Unterstützung der EU, "aber Italien sollte genauso wenig Flüchtlinge nach Mitteleuropa weiterwinken".

Kurz verwies darauf, dass Österreich mehr Flüchtlinge als Italien aufgenommen haben, "obwohl das Land fast zehn mal so groß ist". Es könne uns also "niemand den Vorwurf machen, dass wir da zu wenig getan haben". Er werde den Außenministerrat nützen, um mit seinem italienischen Ressortkollegen Gentiloni zu sprechen, "wie wir die Lage sehen und auch von ihm einfordern, dass das Weiterwinken beendet wird".

Ein Blick auf den Grenzübergang Brenner zwischen Österreich und Italien.
A sign reading "Republic of Austria - border control" is seen at Brenner on the Italian-Austrian border, Italy, April 12, 2016. Picture taken April 12, 2016. REUTERS/Dominic Ebenbichler

"Geschichtsbewusstsein, aber auch Realitätssinn"

Zur Aussage des ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas, wer den Brenner dicht mache, habe aus der Geschichte nichts gelernt, sagte der Außenminister, in Österreich sei sehr viel Geschichtsbewusstsein vorhanden, "aber auch Realitätssinn. Niemand macht den Brenner dicht, wenn man Grenzkontrollen einführt. Es gibt weiterhin freien Personenverkehr, Warenverkehr - und ja, im Idealfall gibt's nicht einmal Grenzkontrollen. Aber das liegt nicht nur an uns, sondern wenn man uns dazu zwingt, weil man uns in Österreich allein lässt, darf man sich nicht wundern, wenn so was notwendig wird".

Kurz sagte, er werde "nach wie vor dafür kämpfen, dass es nicht notwendig ist, dort Grenzkontrollen einzuführen. Aber für Deutschland war es notwendig, Grenzkontrollen zu Österreich einzuführen, ich kann nicht ausschließen, dass es für uns notwendig sein wird, auch aktiv an der italienischen Grenze zu werden".

"Leider Gottes habe ich recht behalten"

Die Frage, ob es ihn nicht stören würde, wenn mitten in Tirol Kontrollposten stehen, beantwortete Kurz mit einer Gegenfrage: "Würde es Sie stören, wenn in diesem Jahr 250.000 Flüchtlinge in Österreich um Asyl ansuchen? - Meine Sorge ist das schon. Ich bin ein Verfechter Europas ohne Grenzen nach innen. Aber ich weiß gleichzeitig, dass das nur funktionieren kann, wenn es funktionierende Außengrenzen gibt." Er habe schon letztes Jahr gesagt, dass nicht einfach hunderttausende Flüchtlinge weitergewunken werden "nach dem Motto, hoffentlich bleiben sie nicht bei uns. Leider Gottes habe ich recht behalten. Ich glaube, in diesem Jahr wird es nicht anders sein. Wenn wir die Flüchtlingsströme nicht in den Griff bekommen, werden mehr und mehr Staaten Grenzkontrollen durchführen, wir werden nicht die einzigen sein", so Kurz.

EVP-Weber warnt vor "zweitem Idomeni" am Brenner

Ein Mann in einem Anzug sitzt nachdenklich da und stützt sein Kinn auf seine Hand.
epa04790476 Chairman of the EPP Group in the European Parliament Manfred Weber reads a paper in the plenary session at the European Parliament in Strasbourg, France, 09 June 2015. EPA/PATRICK SEEGER
EVP-Fraktionschef Manfred Weber ( CSU) warnt angesichts der von Österreich angekündigten Grenzkontrollen vor einem "zweiten Idomeni" am Brenner bzw. in Südtirol. Die Situation sei ernst, ein solches Szenario könne passieren, wenn die Grenze abgeriegelt werde, und es bei einer hohen Flüchtlingszahl zu einem Rückstau komme, meinte Weber am Montag vor Journalisten bei einem Lokalaugenschein vor Ort.

Die Politik müsse "alles tun", dass es zu keiner Situation wie im nordgriechischen Grenzort und zu keinen weiteren Grenzschließungen komme, meinte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament. Temporäre, zeitlich befristete Kontrollen seien gemäß dem Schengen-Vertrag zwar möglich, räumte der CSU-Politiker ein. Diese müssten allerdings "realistisch und verhältnismäßig" sowie aufgrund von "schweren Problemstellungen" eingeführt werden, verwies Weber auf die Bestimmung im Schengener Abkommen, wonach eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit vorzuliegen habe.

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