Kurz beharrt auf Abbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat vor dem Treffen der EU-Spitzen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan seine Haltung zum EU-Beitritt des Landes bekräftigt. Die Kriterien für einen Beitritt seien nicht mehr erfüllt, deshalb sollten die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei abgebrochen werden, sagte Kurz im Interview mit der deutschen Zeitung Die Welt.
Aus diesem Grund seien auch die sogenannten Heranführungshilfen für einen Beitritt, die sich zwischen 2014 und 2020 auf 4,45 Milliarden Euro belaufen, zu überdenken. Die Türkei bleibe aber ein "wichtiger strategischer Partner der EU", mit dem es eine Zusammenarbeit "im Rahmen eines Nachbarschaftskonzeptes" geben sollte, erklärte Kurz.
Wichtige Gespräche in Bulgarien
Kritik übte der Kanzler und ehemalige Außenminister auch an der Militäroffensive der Türkei im Nordwesten Syriens gegen kurdische Milizen. Syrien brauche "endlich Frieden anstatt eine weitere militärische Aktion", meinte Kurz. Der Einmarsch der Türkei drohe die Flüchtlingsbewegungen und die humanitäre Notlage in der Region noch weiter zu verschärfen. Erdogan sieht die Kurdenmiliz YPG wegen ihrer Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation und begründet den Einsatz mit Selbstverteidigung.
Bei dem EU-Türkei-Gipfel im bulgarischen Warna solle deshalb auch die aktuelle Lage in Syrien und die "Notwendigkeit einer politischen Lösung durch UN-Vermittlung" Thema sein. Für die EU nehmen an dem Treffen am Montagabend in dem bulgarischen ort am Schwarzen Meer Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk teil.
Ringen um Gelder für Flüchtlinge
Die Türkei hält nach den Worten von Erdogan aber an der Mitgliedschaft in der Europäischen Union als strategischem Ziel fest. Er wolle auch die Fortsetzung der Beitrittsgespräche, sagte Erdogan am Montag vor seiner Abreise zum EU-Türkei-Gipfel nach Bulgarien. Er werde dort die Erwartung äußern, dass die Hindernisse für einen Beitritt der Türkei ausgeräumt würden.
Erdogan kündigte zugleich an, er wolle auf dem Treffen in der Hafenstadt Warna am Schwarzen Meer auch die Einhaltung der EU-Versprechen zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei anmahnen. Er hatte kürzlich gesagt, die EU habe die dafür zugesagten drei Milliarden Euro bisher noch nicht überwiesen. Die EU-Kommission erklärte hingegen, eine erste Finanzspritze von drei Milliarden Euro sei aufgebraucht. Da die Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU funktioniere, werde man dem Land weitere drei Milliarden Euro zur Versorgung der Flüchtlinge bereitstellen.
Der türkische Präsident forderte von der EU zudem eine "bedingungslose Unterstützung" des türkischen Kampfes gegen die Kurden in Syrien. Neben Kurz hatte auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel das türkische Vorgehen kritisiert.
Entspannung zwischen Wien und Ankara
Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit mehr als eineinhalb Jahren extrem angespannt. Die Regierung in Ankara verfolgt offiziell weiterhin das Ziel einer EU-Vollmitgliedschaft, de facto liegen die Beitrittsverhandlungen aber auf Eis. In der EU gibt es viel Kritik am Rückbau der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.
Die österreichisch-türkischen Beziehungen haben sich indes wieder etwas entspannt, die ablehnende Haltung Österreichs in der Frage eines EU-Beitritts der Türkei hindere beide Staaten jedenfalls nicht in ihrer bilateralen Kooperation, zeigte sich Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) kürzlich überzeugt.
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