Sie sind schlagkräftig, gut ausgerüstet, und sie haben die erprobte Streitmacht Ruandas als Mitstreiter und Mentor: Die Rebellenmiliz M 23 eilt im Osten des Kongos von einem militärischen Erfolg zum nächsten.
Nach der Einnahme der Zwei-Millionen-Stadt Goma, Kapitale der rohstoffreichen Provinz Nord-Kivu, stießen sie nach Süd-Kivu vor und nahmen dort die Hauptstadt Bukavu ein.
Tausende Menschen wurden bereits getötet, Hunderttausende Zivilisten sind auf der Flucht beziehungsweise obdachlos. Von schweren Menschenrechtsverletzungen wird berichtet.
Die schlecht ausgebildete und wenig motivierte kongolesische Armee hat dem Ansturm nichts entgegenzusetzen. Die Afrikanische Union (AU) warnt bereits vor einem Zerfall des Riesenlandes (fast sieben Mal so groß wie Deutschland).
Strippenzieher des Konflikts ist der ruandische Staatspräsident Paul Kagame, der seit mehr als 30 Jahren der bestimmende Machtfaktor in der Region ist.
Eine Zäsur stellte der Genozid 1994 dar, als die Mehrheitsbevölkerung der Hutus in Ruanda rund 800.000 Tutsis und gemäßigte Hutus abschlachtete.
Kagame beendete den Völkermord an seiner Ethnie. Mindestens 100.000 Angehörige der an den Massakern hauptverantwortlichen Interahamwe-Miliz flüchteten in den benachbarten Kongo, damals noch Zaire genannt.
Tutsis im Visier
Ruanda befürchtete, dass sich die Truppe neu formieren könnte und nutze ein Vorgehen der dortigen Behörden gegen eine Tutsi-Ethnie, um 1996 gemeinsam mit Uganda und Burundi einzumarschieren.
Doch Kagame hatte Größeres vor: Er wollte im 130 Mal größeren Kongo eine neue, für ihn genehme Führung in Kinshasa installieren und nebenbei auch Zugriff auf die Bodenschätze im Osten des Land haben – allen voran auf Coltan, das für die damals gerade global in die Höhe schießende Handy-Produktion benötigt wurde und wird.
Für diese Zwecke unterstützte er die örtliche Rebellenbewegung unter Laurent-Desire Kabila, der schon in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahren gemeinsam mit dem lateinamerikanischen Revolutionär Che Guevara für die Unabhängigkeit des Ostkongo gegen Präsident und Diktator Mobutu Sese Seko gekämpft hatte.
Mit Kagames Hilfe marschierte Kabila am 17. Mai 1997 in Kinshasa ein und beendete die Herrschaft Mobutus (seit 1965 offiziell an der Macht).
Doch lange währte die Achse Kabila-Kagame nicht, was den ruandischen Präsidenten (erneut gemeinsam mit Uganda und Burundi) 1998 wieder in den Krieg ziehen ließ gegen den früheren Verbündeten. Nur das entschiedene Eingreifen Simbabwes, Angolas und Namibias verhinderte, dass Kabilas Mannen nach 1997 erneut in Kinshasa einziehen konnten.
"Afrikanischer Weltkrieg"
Der als „Afrikanischer Weltkrieg“ tituliert Konflikt wurde 1999 beendet, forderte Millionen Tote und brachte de facto eine Teilung des Kongos. Speziell der jetzt wieder so umkämpfte Osten des Landes blieb unbefriedet – und im Wesentlichen unter dem Einfluss von Paul Kagame, heute 67 Jahre alt, der im Westen oftmals als politische Lichtgestalt des Kontinents gesehen wird, weil er sein Land modernisiert hat.
Nach der Ermordung Laurent-Desire Kabilas im Jänner 2001 übernahm sein Sohn Joseph Kabila die Macht im Staat und übte diese ähnlich autoritär wie sein Vater bis 2019 aus. Seit damals hat Félix Tshisekedis das Sagen, auch ihm werden dunkle Machenschaften und Korruption vorgeworfen.
Die offene Wunde des Kongos bleibt freilich der Osten des Landes, derart abgelegen, dass der lange Arm Kinshasas dort immer schon zu kurz war. Und Paul Kagame sein Macht mit wechselnden Allianz aufbauen beziehungsweise festigen konnte.
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