Katalonischer Ex-Premier Puigdemont wieder auf freiem Fuß
Einen Tag nach seiner Festnahme auf Sardinien ist der frühere katalonische Regierungschef Carles Puigdemont wieder auf freiem Fuß. Richterin Plinia Azzena habe zwar betont, dass die Festnahme aufgrund eines von Spanien ausgestellten Europäischen Haftbefehls rechtens gewesen sei, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Die Staatsanwaltschaft sehe aber keine Notwendigkeit einer Festhaltung. Daher ordnete die Richterin weder Gefängnis noch Hausarrest an.
Es muss aber noch geklärt werden, ob Puigdemont an Spanien überstellt werden kann. Bis dahin darf er die Mittelmeerinsel nicht verlassen.
Spanien ist bei anderen EU-Staaten schon mehrfach mit Versuchen gescheitert, eine Überstellung des separatistischen Politikers zu erreichen. Er war nach seiner Absetzung infolge des illegalen Unabhängigkeitsreferendums im Oktober 2017 nach Brüssel geflüchtet.
Das Berufungsgericht in der sardischen Stadt Sassari setzte die Verhandlung über die Auslieferung Puigdemonts für 4. Oktober an. Bis dahin sei er frei, berichtete sein italienischer Anwalt Agostinangelo Marras laut Medienangaben.
Demos für Puigdemont
Puigdemont begrüßte seine Freilassung. "Wir sehen uns bald, ich danke allen", twitterte er. "Wir begrüßen die Tatsache, dass Puigdemont freigelassen wurde, aber wir verurteilen weiterhin die gerichtliche Verfolgung, wegen der er vier Jahre lang im Exil leben musste", schrieb der katalanische Präsident Pere Aragonès auf Twitter. "Die Repression kann nur durch Amnestie und Selbstbestimmung gestoppt werden", fügte er hinzu. Er hatte zuvor angekündigt, dass er in den nächsten Stunden nach Sardinien reisen wolle. Wie das spanische Staatsfernsehen berichten, wird der katalanische Präsident am Samstagfrüh auf der Insel erwartet.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez beschwor vor dem Hintergrund der Festnahme den Dialog zwischen Madrid und Barcelona. "Heute ist es wichtiger denn je, den Dialog einzufordern", erklärte Sánchez am Freitag. Er verlangte aber auch, dass sich Puigdemont, der zunächst unter Auflagen wieder freikommen sollte, "der Justiz stellen" müsse.
Puigdemonts Anwalt Gonzalo Boye berichtete, dass sein Mandant wohlauf sei und Vertrauen in die Unabhängigkeit der italienischen Justiz hege. Vor dem Justizpalast in Sassari hatten sich am Freitag sardische Separatisten versammelt, die gegen Puigdemonts Festnahme demonstrierten. "Freiheit für Kataloniens politische Gefangene", war auf einem Spruchband zu lesen. Die Demonstranten erklärten sich über Puigdemonts Festnahme "empört" und sprachen von schweren Verletzungen der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit.
Hunderte Demonstranten versammelten sich auch vor dem italienischen Konsulat in Barcelona. Wie spanische Medien berichteten, schwenkten sie die katalanische Fahne und forderten die Freilassung des Separatisten.
Der Fall sorgte auch in Brüssel für Aufsehen. "Wir respektieren die Unabhängigkeit der italienischen Justiz", kommentierte EU-Kommissionssprecher Christian Wigand. Der katalanischen Regionalminister Toni Comín kündigte eine Protestkundgebung gegen die Festnahme an, die er als "illegal" bezeichnet.
Museumsbesuch
Spanien will Puigdemont wegen seiner Rolle bei einem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum den Prozess machen. Ihm wird vorgeworfen, die von der spanischen Justiz als illegal eingestuften Abstimmung 2017 mitorganisiert zu haben. Puigdemont lebte zuletzt im selbst gewählten Exil in Belgien, das sich stets geweigert hat, den Katalanen auszuliefern.
Nach Sardinien war Puigdemont nach Angaben seines Büros gereist, um eine Ausstellung zu besuchen und den Regionalpräsidenten der Insel zu treffen. Bei der Ankunft am Flughafen sei er von der italienischen Grenzpolizei festgenommen worden, erklärte sein Anwalt. Grundlage sei ein 2019 ausgestellter europäischer Haftbefehl gewesen, der aber ausgesetzt sei. Das Europäische Parlament hatte Puigdemonts Immunität als EU-Abgeordneter im März aufgehoben. Dagegen will Boye nun beim Gericht der Europäischen Union (EuG) einen Rekurs einlegen.
Die Festnahme dürfte die erst vor kurzem wieder aufgenommen Dialoggespräche zwischen der spanischen Zentralregierung und der nach Unabhängigkeit strebendenden Regionalregierung in Barcelona stark belasten.
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