Schwarzenberg: "Die EU könnte zugrunde gehen"

Schwarzenberg: "Die EU könnte zugrunde gehen"
Der glühende Europäer sieht schwarz für die EU, falls sie sich nicht reformiert.

Der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg (8o) erklärt im Interview mit dem KURIER, warum die EU dringend eine Reform braucht und warum er die ÖVP nicht wiedererkennt.

KURIER: Die Bildung einer Regierung in Italien ist gescheitert. Paolo Savona, ein Eurokritiker und Deutschlandfeind, wurde abgelehnt. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Karel Schwarzenberg: Ich glaube, es ist gut, wenn ein italienisches Staatsoberhaupt eine entschiedene Stellung zugunsten der Europäischen Union und der Mitgliedschaft Italiens in der Europäischen Union eingenommen hat.

Die pro-europäische Haltung scheint nicht populär zu sein.

Das ist sie in manchen Ländern nicht sehr. Nichtsdestotrotz ist es die einzige vernünftige Möglichkeit für die europäischen Völker. So schnell, wie sich die Welt verändert. Mit dem Aufstieg der neuen Großmächte. Nicht nur China, auch Indien, Indonesien. Dass die kleinen europäischen Staaten in der Zukunft eine Chance hätten, ist ein Irrtum.

Dennoch scheint diese EU-Kritik so populär zu sein. Auch in Österreich...

Kritik ist immer populär. Sie ist einfach. Die größten EU-Kritiker sind größtenteils Populisten. Ob es in der Tschechischen Republik, hier (in Österreich, Anm.) oder in Italien ist.

Sie sprechen Populismus an. Ist er eine Gefahr oder nur ein Werkzeug, um Wahlen zu gewinnen

Natürlich kann es eine Gefahr sein, im Populismus steigt die Demagogie. Nicht alles entspricht der Wahrheit. Gewöhnlich verfärben Populisten die Dinge stark – bis zum Gegenteil. Und sie verschweigen Entschiedenes. Typisches Beispiel: Brexit. Da haben ja hinterher viele zugegeben, dass sie nicht die völlige Wahrheit gesagt haben.

Sie haben kürzlich gesagt, dass in Österreich „dieselben politischen Tendenzen erkennbar“ sind, wie in Polen, Ungarn oder auch Tschechien...

Wir sehen überall leider eine gewisse Distanz zur klassischen liberalen Demokratie und eine Zuwendung zu mehr Autoritärem. Zugegebenermaßen, die alten Parteien sind Mitschuld daran, weil sie nichts Neues dargeboten haben. Infolgedessen haben sich die Wähler interessant erscheinenden, unterhaltenderen Vereinen zugewandt. Die klassischen Parteien haben einen dramatischen Wählerverlust erlitten. Es sei denn, sie sind selber auf den Zug aufgestiegen.

So wie die ÖVP, zum Beispiel?

Ist es noch die ÖVP? Ich habe die noch gekannt als „schwarz“.

Ist sie nicht mehr schwarz; oder christlich-sozial?

Naja, sie sagt selber, dass sie türkis ist. Christlich-sozial ist sie schon lange nicht mehr.

Sie haben gesagt, es gibt die Neigung zur autoritären Staatsführung. Wollen das die Bürger denn?

Offensichtlich.

Also Sie meinen, die Wähler wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie für gewisse Parteien stimmen?

Nein. Sie haben keine Ahnung. Sie wollen nur was anderes. Ihnen gehen die alten Politiker auf die Nerven und sie wollen was Neues.

Sie machen gerne einen Unterschied zwischen „Politikern“ und „Staatsmännern“.

Richtig.

Sehen Sie in Europa Staatsmänner bzw. Staatsfrauen?

Ich halte Emmanuel Macron für einen Staatsmann.

Inwiefern?

Er könnte der EU einen neuen Impuls geben. Hoffentlich gelingt es auch. Man setzt als Politiker immer nur einen Teil dessen um, was man sich vorstellt. Aber wenn nur ein Teil dessen, was er präsentiert, durchgeht, hat er viel erreicht.

Und Europa braucht einen neuen Impuls?

Gar kein Zweifel. Wir kommen langsam in den Zustand – ich lehne mich an das Schlagwort der 68er Jahre an – „Stell dir vor es gibt Europa und keiner geht hin“.

Was, wenn es keinen neuen Impuls für Europa gibt?

Wenn es keine Reform gibt, dann wird es zugrunde gehen. So wie das alte Österreich, das eigentlich ein gut funktionierender Staat war. Der Wohlstand ist gewachsen, es war ein Rechtsstaat. Aber durch die Reformunfähigkeit ist es auseinandergefallen. Österreich-Ungarn hat Selbstmord begangen.

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