Nach jahrelangen Verhandlungen: Brexit-Deal steht

Johnson und Juncker.
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Johnson und Juncker verkünden neue Einigung zwischen EU und Großbritannien. Doch auch diese könnte am Samstag im britischen Parlament scheitern.

Die Unterhändler der EU und Großbritanniens haben sich auf einen Brexit-Vertrag geeinigt. Das sagten Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Donnerstag.

"Wo ein Wille, da ein Deal - wir haben einen", schrieb Juncker auf Twitter. Es handle sich um einen "faire und ausgewogene Vereinbarung" und er, Juncker, empfehle dem heute beginnenden EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, den Deal zu unterstützen.

Juncker postete auch ein von ihm verfasstes Schreiben an EU-Ratspräsident Donald Tusk, das diesen über die erzielte Vereinbarung über ein geändertes Nordirland-Protokoll informiert.

Johnson forderte noch aus Brüssel die Unterstützung des britischen Parlaments für den neuen Brexit-Vertrag ein: "Ich hoffe sehr, dass meine Abgeordneten-Kollegen in Westminster jetzt einig werden, um den Brexit zu vollziehen, um diesen hervorragenden Deal über die Ziellinie zu bringen und den Brexit ohne weitere Verzögerung zu liefern." Das Parlament solle den Deal am Samstag auch absegnen, um zu "anderen Prioritäten" überzugehen.

Abstimmung in London am Samstag

Tatsächlich ist fix, dass das britische Parlament schon am Samstag über das neue Abkommen abstimmen wird. Das haben die Abgeordneten am Donnerstag in London gebilligt. Es ist die erste Sitzung des Unterhauses an einem Samstag seit 37 Jahren.

Aber: Das neue Brexit-Abkommen steht schon wieder vor vor dem Scheitern - wegen des Widerstands der nordirischen Partei DUP. Auch Labour und andere Parteien wollen gegen den umstrittenen Deal stimmen.

Die nordirische DUP hatte den bestehenden Brexit-Plan der britischen Regierung schon Donnerstagfrüh wegen der geplanten Zollregelungen abgelehnt und diese Ablehnung nach Bekanntgabe des Deals bekräftigt.

Labour: Neuer Deal "noch schlechter"

Ablehnung kam auch umgehend vom Vorsitzenden der sozialdemokratischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn. Er sagte, der neue Deal klinge sogar "noch schlechter" als der, den Johnsons Vorgängerin Theresa May ausgehandelt hatte, und sollte daher ebenso vom Parlament abgelehnt werden. Die Vorschläge könnten hinsichtlich gesetzlicher Standards eine Abwärtsspirale in Gang setzen, warnte Corbyn - von der Lebensmittelsicherheit bis hin zu Arbeitnehmerrechten.

Dieser "Ausverkaufs-Deal" würde das Land nicht wieder zusammenbringen und sollte daher abgelehnt werden, sagte der Labour-Chef - und sprach sich einmal mehr dafür aus, die Briten ein zweites Mal über den Brexit abstimmen zu lassen.

Das britische Parlament muss der zwischen der EU und der Regierung in London erzielten Vereinbarung zustimmen. Bis vor Kurzem wurden die regierenden Konservativen im britischen Unterhaus von der DUP unterstützt. Die Tories verfügen über keine eigene Mehrheit.

Erleichterung bei von der Leyen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron haben den neuen Brexit-Deal trotzdem als "gute Nachricht" begrüßt. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich am Donnerstag ebenfalls "froh und erleichtert".

Auch die Börsen reagierten mit Erleichterung auf den Durchbruch. Der DAX stieg am Donnerstag um ein Prozent auf ein 14-Monatshoch von 12.813,14 Punkten, und der EuroStoxx50 markierte mit 3.630,43 Zählern den höchsten Stand seit zwei Jahren. Der Index für britische Werte, die ihr Hauptgeschäft auf dem Heimatmarkt machen, gewann sogar 2,5 Prozent. Das Pfund Sterling war ebenfalls gefragt und verteuerte sich binnen Minuten um jeweils rund einen Cent auf 1,2926 Dollar und 1,1618 Euro.

Übergangsphase bis Ende 2020

Nach den Worten von EU-Chefunterhändler Michel Barnier schafft das neue Abkommen Rechtssicherheit. Es werde eine Übergangsphase bis Ende 2020 geben. Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen.

Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Zugleich werde die Provinz aber auch der britischen Zollhoheit unterliegen. Damit sei ein faires Abkommen gefunden, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu sichern. Zugleich sei der Weg geebnet für ein Handelsabkommen der EU mit Großbritannien, in dem es weder Zölle noch Quoten gebe, sagte Barnier.

"Es ist richtig, dass wir schon Erfahrungen gemacht haben", deutete Barnier an, als ein Journalist fragte, ob er glaube, dass eine Mehrheit in London zustande komme. Der Austrittsvertrag war in der Vergangenheit drei Mal vom britischen Parlament abgelehnt worden.

Es sei sein Temperament eines Bergbewohners, nüchtern zu bleiben, sagte Barnier. "Wir haben unsere Arbeit gemacht." Es liege am britischen Parlament, eines Tages seine Verantwortung zu übernehmen. Es sei nicht die Aufgabe der EU, zu intervenieren.

EU-Kommissionspräsident Juncker stellt die neue Vereinbarung am Donnerstag dem Europäischen Rat vor, der diese annehmen soll.

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