Johnson unter Druck durch Lockdown-Verstoß von Berater

Der britische Premier Boris Johnson
Johnson zeigte sich mit seinem Berater Cummings solidarisch. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat nach dem demonstrativen Eintreten für seinen unter Beschuss geratenen Chefberater Dominic Cummings selbst Kritik auf sich gezogen. Johnson hatte am Sonntag versucht, einen Strich unter die Affäre wegen angeblicher Lockdown-Verstöße zu ziehen und seinen Berater von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen.

Cummings wird vorgeworfen, mit einer Reise von London zu Familienangehörigen ins rund 430 Kilometer entfernte Durham Ende März gegen die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie verstoßen zu haben. Der Berater gab an, er habe keine andere Möglichkeit gehabt, die Betreuung seines vier Jahre alten Sohns sicherzustellen. Johnson ließ das als legitimen Grund gelten, um die damals geltenden strengen Ausgangsbeschränkungen zu umgehen und wies Forderungen, Cummings zu entlassen, zurück.

Ratschläge "in die Tonne getreten"

Doch Kritiker fürchten, die Glaubwürdigkeit der Regierung könne durch die großzügige Auslegung der Lockdown-Regeln für den Regierungsberater ernsthaften Schaden genommen haben. Mehrere Experten, die nach eigenen Angaben die Regierung bisher beraten hatten, äußerten sich besorgt. Innerhalb von ein paar Minuten habe Johnson "alle Ratschläge, wie man Vertrauen aufbaut und das Einhalten der Maßnahmen sicherstellt, die für die Kontrolle von Covid-19 notwendig sind, in die Tonne getreten", twitterte beispielsweise der Psychologe Stephen Reicher von der St.-Andrews-Universität in Schottland.

Die einflussreiche Boulevardzeitung Daily Mail titelte am Montag zu Bildern von Johnson und Cummings: "Auf welchem Planeten leben die eigentlich?" Oppositionschef Keir Starmer von der Labour Party zeigte sich von Johnsons Vorgehen enttäuscht. "Das war ein großer Test für den Premierminister und er ist gerade durchgefallen", sagte Starmer in einem BBC-Interview. Millionen Menschen hätten schwierige Entscheidungen treffen müssen, beispielsweise Angehörige nicht zu besuchen, und nicht auf Begräbnisse zu gehen, sagte der Labour-Chef.

"Arrogant und beleidigend"

Eine ungewöhnlich kritische Bemerkung über Johnson vom offiziellen Account der britischen Berufsbeamten (Civil Service) sorgte in Sozialen Medien für Aufsehen. Darin hieß es: "Arrogant und beleidigend. Können Sie sich vorstellen, wie es ist, mit diesen Wahrheitsverdrehern zusammenzuarbeiten?" Wer die Nachricht geschrieben hatte, war zunächst unklar. Sie bezog sich offenbar auf eine Pressekonferenz, bei der Johnson Cummings gegen Vorwürfe, die Lockdown-Regeln des Landes verletzt zu haben, verteidigte.

Die Sun zitierte am späten Sonntagabend ein namentlich nicht genanntes Kabinettsmitglied mit den Worten: "Er (Cummings) kann nicht bleiben. "Boris muss zudem Zerknirschung zeigen, andernfalls wird er die nächsten Wochen damit verbringen, Fragen über das alles zu beantworten." Und weiter: Menschen seien zornig, weil sie das richtig getan hätten und nicht hinausgegangen seien. Eins weiteres Kabinettsmitglied zitierte die "Sun" anonym, wonach es mehr und mehr als "Zeichen der Schwäche" wirke, Cummings zu halten.

Weitere Details könnten folgen

Nicht auszuschließen scheint, dass in der Sache noch weitere Details an die Öffentlichkeit gelangen. Der "Guardian" und der Daily Mirror berichteten am Sonntagabend, ein Augenzeuge, der Cummings am 12. April an einem Ausflugsziel rund 50 Kilometer vom Wohnhaus seiner Eltern entfernt gesehen haben will, habe inzwischen Anzeige erstattet. Auch für einen weiteren Aufenthalt von Cummings in Durham am 19. April gibt es demnach einen weiteren Augenzeugen. Die Regierung stritt weitere Aufenthalte Cummings in Durham ab.

Johnson unter Druck durch Lockdown-Verstoß von Berater

Johnsons Chefberater Dominic Cumming

Großbritannien hat offiziellen Statistiken zufolge die höchste Zahl an Todesfällen durch die Coronavirus-Pandemie in Europa. Bis Samstag starben dort knapp 36.800 Menschen, nachdem sie positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Inzwischen ist die Zahl der täglich neu gemeldeten Infektionen und Todesfälle zurückgegangen. Doch es wird befürchtet, dass die Epidemie wieder an Fahrt aufnehmen könnte, wenn die Regeln zur Kontaktbeschränkung nicht mehr eingehalten werden sollten. Cummings könnte das Vertrauen in die Regierung irreparabel beschädigt haben, meinen Kritiker.

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