Ampel-Aus: Kukies neuer Finanzminister; Wissing tritt aus FDP aus
Die deutsche Ampel-Koalition ist geplatzt. Der von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem beispiellosen Zerwürfnis gefeuerte Finanzminister Christian Lindner erhält am Nachmittag von Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Entlassungsurkunde.
Lindners Nachfolger steht bereits fest: Neuer Finanzminister wird Jörg Kukies. Kukies gilt als einer der wichtigsten Berater von Scholz. Er ist sein Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt für ihn die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel.
Verkehrsminister Wissing will Posten behalten, tritt aus FDP aus
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will seinen Posten trotz des Ausscheidens der anderen FDP-Minister behalten und seine Partei verlassen. Scholz habe ihn am Mittwoch gefragt, ob er trotz des Bruchs der Koalition weiter Minister bleiben wollen, sagte Wissing am Donnerstagmorgen in Berlin. Er habe darüber nachgedacht und dem Kanzler mitgeteilt, dass er dazu bereit sei.
Da er seine Partei nicht in Schwierigkeiten bringen wolle, habe er gegenüber FDP-Chef Christian Lindner seinen Austritt aus der FDP angekündigt. "Ich möchte mir selbst treu bleiben." Dies sei keine Absage an die Grundwerte der FDP, er wolle auch in keine andere Partei eintreten. Wissing äußerte sich kritisch über die Zusammenarbeit in der Koalition indirekt über die FDP-Führung. Er habe schon früher deutlich gemacht, dass er sich eine konstruktivere Zusammenarbeit in der Ampel gewünscht habe. Die Erklärung unterschiedlicher Ansichten kann da nur der Anfang sein, aber nie das Ergebnis. Sein Verhalten nun komme für die FDP nicht überraschend, er habe seine Haltung immer wieder deutlich gemacht.
Der Bruch der ersten deutschen Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene war Mittwochabend nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Budgetpolitik erfolgt. Als Reaktion zog die FDP alle ihre Minister aus dem schon seit vielen Monaten heillos zerstrittenen Dreier-Bündnis ab - und besiegelte somit das Ende der Ampel.
Wieder rot-grüne Regierung in Deutschland
Damit gibt es dann zum ersten Mal seit 2005 wieder eine rot-grüne Regierung, die allerdings keine Mehrheit im Parlament hat. Sie soll auch nur für eine Übergangsphase bestehen, von der man bisher nicht genau weiß, wie lange sie dauern wird. Am 15. Jänner will Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, um eine Neuwahl herbeizuführen. Die muss wegen zweier im Grundgesetz verankerter Fristen von insgesamt 81 Tagen spätestens Anfang April stattfinden. Als wahrscheinlichster Termin gilt derzeit der 30. März, weil dann in keinem Bundesland Ferien sind.
Oppositionsführer Friedrich Merz bestand auf Neuwahlen bereits im Jänner und nicht erst im März. Dafür habe sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrer Sondersitzung ausgesprochen, sagte der CDU-Chef am Donnerstag. "Das muss jetzt schnell gehen." Er werde sowohl Scholz als auch Steinmeier bitten, den Weg dafür freizumachen, fügte der Kanzlerkandidat der Union hinzu.
Auch der Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, forderte schon früher "Klarheit". Er glaube, dass Scholz "sehr schnell die Vertrauensfrage stellen" sollte, sagte er in der ARD. "Die Ampel ist Geschichte. Jetzt darf keine Zeit mehr verloren werden", schrieb Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder auf X. Deutschland brauche nun rasch Neuwahlen und eine neue Regierung. "Taktische Verzögerungen darf es nicht geben."
Habeck verteidigt Lindners Entlassung
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verteidigte im Deutschlandfunk die Entlassung Lindners. Man hätte die bestehenden Budgetlücken schließen können, aber "der Wille war nicht da." Der Wirtschaftsminister warf Lindner vor, Parteipolitik vor seine Verantwortung als Minister gestellt zu haben. "Ein Finanzminister muss vor allen anderen für das Team spielen, muss für die Lösung spielen und kann nicht in allererster Linie FDP-Parteivorsitzender sein", sagte Habeck.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf Lindner vor, keine Verantwortung mehr für Deutschland tragen zu wollen. Dies sei aber weiter nötig. "Das tun wir jetzt auf andere Weise", sagte Baerbock.
Die FDP erklärte am Donnerstag, den Rauswurf aus der Regierung nicht provoziert zu haben. Die FDP habe Vorschläge für echte Reformen in der Wirtschaftspolitik gemacht, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel im Deutschlandfunk. SPD und Grüne hätten aber nur Gegenvorschläge gemacht, die den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht würden.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch forderte die oppositionelle Union auf, eine Minderheitsregierung zumindest punktuell zu unterstützen. "Die CDU hat vor zwei Tagen ja gerade erklärt, dass sie durchaus auch bereit ist, bestimmte Dinge im Falle einer Minderheitsregierung zu unterstützen", sagte Miersch in der ARD. "Dieses Angebot werden wir ernst nehmen."
Scholz will Merz von der CDU in der Übergangsphase anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. "Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen", sagte der Kanzler. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung."
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz. "Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das "vielleicht dringender denn je". Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl in den USA kurz vor dem Ampel-Crash gewonnen.
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