Medien: Flüchtiger Jan Marsalek soll mit neuer Identität in Ukraine gewesen sein

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Erkenntnisse eines Recherche-Kollektivs deuten auf einen möglichen Einsatz Marsaleks in der Ukraine und seine neue Identität hin.

Zusammenfassung

  • Jan Marsalek, ehemaliger Wirecard-Manager, soll laut Recherchen mit neuer Identität als Alexander Nelidow in Russland leben und enge Verbindungen zum FSB haben.
  • Ortungsdaten und Bilder deuten darauf hin, dass Marsalek nach Kriegsbeginn mehrfach in der Ukraine und auf der Krim war, möglicherweise im Auftrag Russlands.
  • Belege für einen Kampfeinsatz Marsaleks in der Ukraine gibt es nicht; er bleibt weiterhin einer der meistgesuchten Männer Europas.

Jan Marsalek, ehemaliger Wirecard-Manager und einer der meistgesuchten Männer Europas, soll unter falscher Identität, mit enger Verbindung zu Russlands Machthaber Wladimir Putin, in Russland leben - und Bilder und Ortungsdaten legen nahe, dass er nach Kriegsbeginn für Russland in der Ukraine gewesen sein soll. Das ergeben gemeinsame Recherchen von Standard, Spiegel, ZDF, PBS Frontline und The Insider. 

Neue Identität: Marsalek als Alexander Nelidow

Wie das Recherche-Kollektiv berichtet, soll Marsalek durch den russischen Geheimdienst FSB beziehungsweise in dessen Dienst eine weitere neue Identität angenommen haben. Er soll sich nun als in Lettland geborener Russe namens Alexander Nelidow ausgeben. 

Wie die Recherchen ergeben, stammen erste behördliche Daten zu einer Person mit diesem Namen aus dem Jahr 2023. "Laut Passdaten soll er als Ukrainer im Zuge der Annexion des Donbass an Russland die russische Staatsbürgerschaft erhalten haben. Recherchen zeigen jedoch, dass es in der Ukraine nie eine Person mit dem Namen Nelidow gegeben hat", schreibt der Standard am Dienstag. 

Unklar bleibt auch in den Medienberichten, ob die Identität "Nelidow" ein in Lettland geborener Russe oder Ukrainer, der die russische Staatsbürgerschaft erhalten hat, sein soll. 

Dem Standard lägen zudem geleakte Ortungsdaten und Bilder vor, die Marsalek regelmäßig in der Nähe der FSB-Zentrale zeigen - weitere Indizien für die schon lange vermuteten Verbindung zum russischen Geheimdienst.  Als Nelidow soll Marsalek auch zwei Firmen in Moskau gegründet haben, etwa für den Handel mit Autoteilen und landwirtschaftlichen Produkten. 

Marsalek für Russland in der Ukraine?

Das Rechercheteam analysierte geleakte Daten, die mehrere Reisen Marsaleks in die Ukraine beziehungsweise die von Russland annektierte Halbinsel Krim belegen sollen. Ortungsdaten eines Smartphones, das den Recherchen zufolge Marsaleks sein soll, sollen ihn im russischen Grenzort Mitrofanowka, wenige Kilometer von der Ostukraine entfernt geortet haben. 

Daten aus dem November 2023 - also neun Monate nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine -  soll Marsalek bei dem Übertritt von der annektierten, ukrainischen Stadt Mariupol auf die Krim zeigen, so der Standard. Ein Foto, das der Standard veröffentlichte, zeigt Marsalek in Militärmontur mit dem "Z", dem russischen Kriegssymbol, auf der Brust. Laut dem Standard und dem Recherchekollektiv lege das einen Kampfeinsatz für Russland in der Ukraine nahe. Belege dafür, dass Marsalek wirklich für Russland in der Ukraine gekämpft haben soll, gibt es aber nicht. 

Der Österreicher und ehemalige Manager des Finanzdienstleisters Wirecard, Jan Marsalek, konnte bis heute nicht gefasst werden. Er ist seit Juni 2020 auf Flucht und wird per internationalem Haftbefehl wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie wegen besonders schwerer Untreue und weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gesucht.

Die deutschen Behörden haben ihn zur Fahndung ausgeschrieben und ein Rechtshilfeersuchen an Moskau gestellt. Offiziell bestreiten die russischen Stellen, seinen Aufenthaltsort zu kennen.

Nach dem Abbruch des Gymnasiums in Korneuburg arbeitete Marsalek seit Jänner 2000 bei Wirecard und war seit 2010 Mitglied des Vorstands. Dabei war er vor allem für das Asien-Geschäft verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gegen ihn. Die Insolvenz des ehemaligen Dax-Konzerns gilt als einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik Deutschland.

Schon im März 2024 hatten der "Spiegel", das ZDF, der "Standard" und die russische Plattform The Insider unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichtet, dass Marsalek offenbar seit Jahren für russische Geheimdienste aktiv gewesen ist.

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