Italien will aus Seenot gerettete Migranten künftig nach Albanien umleiten
Die italienische Regierungschefin Meloni und Albaniens Premier Rama schließen einen Migrationsdeal
07.11.23, 18:00
Aus Mailand, Andrea Affaticati
„Italien ruft, Albanien hilft“, verkündete der albanische Premierminister Edi Rama bei seinem jüngsten Besuch in Rom. Anlass war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung für ein Migrationsabkommen zwischen den beiden Mittelmeerstaaten. Es sieht vor:
Die im Mittelmeer von italienischen Schiffen geretteten Migranten sollen ab kommendem Frühling nach Albanien gebracht werden. Dort will Italien ein Aufnahmelager, wo Asylverfahren abgewickelt werden, und ein weiteres Lager errichten, von wo aus abgewiesene Migranten wieder in ihre Heimatstaaten gebracht werden.
Nicht nach Albanien gebracht werden schwangere Frauen, Minderjährige und andere hilfebedürftige Migranten – sowie jene, die schon italienischen Boden betreten haben.
Pro Jahr soll Albanien bis zu 39.000 von Italien geschickte Migranten aufnehmen. Das wäre nur ein Bruchteil der in Italien angekommenen illegalen Migranten: Allein heuer wurden bereits 145.000 Migranten in Italien registriert.
Italienische Verfahren
Bauen, zahlen und verwalten soll alles Italien mit italienischem Personal. Meloni äußerte sich sehr zufrieden über den Deal mit Tirana und sprach von einem „innovativen Ansatz, der als Vorbild für ähnliche Abkommen dienen könnte.“ Sie hofft vor allem, dass die Maßnahme Migranten davon abhält, die gefährliche Fahrt übers Mittelmeer überhaupt zu riskieren.
Ein ähnliches Abkommen hat bereits Großbritannien vorangetrieben. Premier Rishi Sunak hatte mit Ruanda einen Deal geschlossen. Dorthin sollten Asylsuchende gebracht werden und abwarten, bis ihre Asylverfahren abgeschlossen sind.
Doch Berufungen der Asylsuchenden und Gerichtsbeschlüsse machten der britischen Regierung einen Strich durch die Rechnung. Bis heute konnte die britische Innenministerin Suella Braverman (43) keinen einzigen Asylsuchenden nach Ruanda schicken.
Auch beim Albanien-Italien-Abkommen ist nicht klar, ob es überhaupt der italienischen Rechtsprechung bzw. der europäischen entspricht. Proteste gegen den Deal erhoben sich jedenfalls sofort von den Oppositionsparteien in beiden Ländern.
Hat die italienische Regierungschefin Meloni Albaniens Premier Rama im Gegenzug für den Deal etwas versprochen? „Nichts“, antwortet darauf der albanische Regierungschef: Italien habe den Albanern seinerzeit geholfen, als diese Anfang der 90er-Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes übers Meer flüchteten; jetzt sei Albanien an der Reihe zu helfen.
Da aber Großzügigkeit nicht zur Politik gehört, tippen die meisten Experten auf eine noch stärkere Unterstützung seitens Roms für den Eintritt von Albanien in die EU.
Abfuhr für Wien
Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz hatte sich einst in der Migrationsfrage Hilfe von Albanien erhofft: Ein Asylzentrums sollte geschaffen werden, in denen von Österreich abgewiesene Asylbewerber untergebracht werden könnten. Doch Tirana hörte sich 2018 die Pläne an – und sagte dann dankend nein.
Auch die dänische Regierung hatte Pläne für ein Asylbewerberzentrum in Ruanda. Diese liegen mittlerweile auf Eis.
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