Gefängnisse in Italien: Überfüllt, unmenschlich - und tödlich

Enge Zellen, oft kein warmes Wasser, und meist nicht einmal Platz, um sich zu bewegen: Wer in Italien im Gefängnis sitzt, zahlt nicht nur seine Schuld an der Gesellschaft – er verliert häufig auch seine Würde. Die Haftanstalten sind heillos überfüllt, vielerorts herrschen Zustände, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schon mehrfach verurteilt wurden.
Die Folgen dieser Dauerkrise sind dramatisch: Allein im vergangenen Jahr nahmen sich zwischen 83 und 91 Häftlinge das Leben – die genaue Zahl ist noch unklar, weil Ermittlungen in einigen Fällen andauern. Fest steht aber, dass die Suizidrate bei Häftlingen um das Fünffache höher ist als bei freien Bürgern. Die Zahlen hat der Verband "Antigone" eruiert, der seit seiner Gründung im Jahr 1991 regelmäßig über die Lage in den italienischen Haftanstalten berichtet.
"Regelrechte Notlage"
Auch Italiens Staatsoberhaupt Sergio Mattarella weist immer wieder auf die dramatische Lage in den Gefängnissen hin. „Seit allzu langer Zeit geht die Zahl der Selbstmorde nicht zurück. Es handelt sich um eine regelrechte gesellschaftliche Notlage, die sofort behoben werden muss“, mahnte auch jetzt wieder.
Ursachen, die zu diesem Akt der Verzweiflung führen, gibt es natürlich viele. Ein Hauptgrund ist aber definitiv die Überfüllung der Haftanstalten. Mit Ende April 2025 befanden sich in Italiens Strafvollzuganstalten 62.445 Häftlinge; die eigentliche Kapazität der Gefängnisse liegt aber bei 51.280 Insassen - ein Unterschied von mehr als 10.000 Menschen. Davon muss man weitere 4500 Plätze abziehen, weil etliche Zellen momentan nicht benutzbar sind, wie die Tageszeitung Corriere della Sera berichtet. Die Überbelegung liegt also bei durchschnittlich 133 Prozent. In der Mailänder Haftanstalt San Vittore, die sich im Zentrum der lombardischen Metropole befindet, sogar bei 200 Prozent. Dort kam es vor einer Woche auch zum 36. Suizidfall in diesem Jahr: Ein 23 Jahre junger Mann hat sich das Leben genommen.
Den italienischen Vorschriften zufolge muss jeder Häftling in einer Einzelzelle über neun Quadratmeter verfügen, und in einer Kollektivzelle über sieben. Nur entsprechen die meisten Anstalten nicht diesen Vorschriften. Wie der Verband Antigone nach einer Vororterhebung berichtet hat, verfügt mehr als ein Drittel der Häftlinge nicht einmal über die drei Quadratmeter Raum, die laut europäischem Recht der Minimalraum ist. Alles darunter gilt als „menschenunwürdig und erniedrigend“.
In 45 Prozent der Zellen gibt es kein Warmwasser und in mehr als die Hälfte auch keine Duschen. Wie das Leben unter diesen Umständen in Tagen wie diesen ist, wo die Temperaturen bis zu 40 Grad steigen bedeutet, kann man sich schwer vorstellen. Wegen diesen unangemessenen Haftumständen wurde Italien schon mehrmals von Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt.
Proteste
Immer wieder kommt es zu Protesten, manchmal auch zu gewaltsamen Revolten seitens der Insassen. Laut Ombudsmann der Häftlinge, in Italien Garant genannt, sind voriges Jahr Hunger- und Durststreiks um 35 Prozent im Vergleich zu 2023 gestiegen, während die Verweigerung, in die Zelle zurückzugehen, um 64 Prozent anwuchs. Vor ein paar Wochen wurde ein Gesetz vom Parlament verabschiedet, das auch passiven Widerstand im Gefängnis bestraft.
Die dramatische Lage in der sich die italienischen Haftanstalten befinden, ist natürlich auf langzeitige Versäumnisse zurückzuführen, und somit auf Mitte-Links- wie auch Mitte-Rechts-Koalitionen. Die jetzige Rechts-Mitte-Regierung war unter anderem mit dem Vorsatz angetreten, in zwei Jahren 7.000 neue Plätze errichten; die Kosten waren auch schon berechnet: 236 Millionen Euro.
Jetzt ist nur mehr die Rede von 16 Fertigbaumodulen, die bis Jänner 2026 geliefert werden sollen. Jedes Modul kann 24 Häftlinge aufnehmen und je nach Notwendigkeit eingesetzt werden - das würde Platz für knapp 400 Insassen schaffen. Das eigentliche Problem ist so wieder nicht behoben.
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