Italien: Conte soll Regierung bilden

Italiens Präsident Sergio Mattarella (l.) und Ugo Zampetti, Generalsekretär.
Das Ende der Regierungskrise in Rom naht. Der parteilose Premier Guiseppe Conte soll eine Regierung bilden.

Der Weg für eine Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (PD) in Italien ist geebnet. Staatspräsident Sergio Mattarella beauftragte am Donnerstag den bisherigen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte mit der Bildung einer neuen Regierung. Conte habe den Auftrag "unter Vorbehalt“ akzeptiert, erklärte Ugo Zampetti, Generalsekretär des Präsidenten.

Vor allem in der EU dürfte eine Koalition mit Beteiligung der europafreundlichen Sozialdemokraten für Erleichterung sorgen. Denn mit der würde der Rechtspopulist Matteo Salvini in der Opposition landen, der bisher als Innenminister die Regierungspolitik prägte.

Conte muss nun ein Kabinett zusammenstellen, das dann noch das Vertrauen beider Parlamentskammern braucht. Dieser Prozess dauert voraussichtlich einige Tage und ist nicht ohne Hindernisse. So plant die Fünf-Sterne-Bewegung etwa eine Online-Konsultation unter ihren Anhängern, die das Bündnis mit den Sozialdemokraten absegnen sollen. Erst dann steht die Koalition, die vor allem Salvini ausbooten würde. Der hatte das Bündnis aus Sternen und seiner rechten Lega Anfang August platzen lassen und auf eine Neuwahl gesetzt. Conte hatte daraufhin seinen Rücktritt eingereicht. Der 55-jährige Premier stand seit dem Juni 2018 dem Kabinett als parteiloser Premier vor. 

Die neue Regierung soll bis Ende der Legislatur 2023 halten.  

Laut Umfragen hätte der Europakritiker Salvini gute Chancen auf einen Sieg bei einer Wahl gehabt. Doch die ist nun vom Tisch.

Sowohl Sterne als auch PD hatten sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, dass Conte das Mandat bekommen soll, eine Regierung zu bilden. Die Zustimmung zu der Personalie Conte galt als Voraussetzung für das Bündnis der beiden ungleichen Parteien, die bisher auf Kriegsfuß gestanden haben. "Wir lieben Italien und wir denken, es ist es wert, dieses Experiment zu versuchen“, sagte PD-Chef Nicola Zingaretti. Er forderte eine Wende in der Europa- und Migrationspolitik.

Unklar ist jedoch, ob es diese mit den Sternen geben kann. Diese hatten Salvinis harte Linie gegen Migranten mitgetragen und liegen zudem in Haushaltsfragen im Streit mit Brüssel. Die Protestbewegung will zudem noch über eine Onlineplattform über die angestrebte Koalition abstimmen lassen - das wurde als eine der Hürden für eine neue Regierung angesehen.

Giuseppe Conte: Der Polit-Quereinsteiger 

Bis vor Juni 2018 war Giuseppe Conte für die Öffentlichkeit in Italien ein Unbekannter. Der Professor für Privatrecht tauchte damals als Kompromisskandidat für den Premierposten einer Regierung aus Lega und Fünf Sternen auf. Eine Zeit lang galt Conte als machtloser Vermittler zwischen den beiden Koalitionspartnern.

Inzwischen ist er staatsmännisch gewachsen und will eine zweite Regierung führen. Am Donnerstag erhielt er von Staatspräsident Sergio Mattarella den Auftrag für die Bildung einer neuen Regierung aus der Fünf Sterne-Bewegung und den oppositionellen Sozialdemokraten (PD - Partito Democratico). Er hat gute Chancen, eine zweite Regierung unter seiner Führung aufzubauen.

Conte wird dem Parlament um 15 Uhr berichten

 Als "Strohmann" wurde der 55-jährige Conte bei seinem ersten Amtsantritt als Regierungschef von Europas erstem populistischen Kabinett geschmäht. Der Rechtsanwalt mit den eleganten Anzügen wurde von seinen zwei Vizes bestimmt, Luigi Di Maio von den Cinque Stelle und Matteo Salvini von der Lega. Seine Kritiker warfen ihm vor, für seine populistischen Stellvertreter nur als reiner Erfüllungsgehilfe zu dienen und in der neuen Regierung nicht das Sagen zu haben. Selbst Zeitungen, die dem einen oder anderen Lager der populistischen Koalition nahestanden, nannten Conte einen einen Ausführer des Willens seiner Stellvertreter. Die weniger freundlich gesinnten Blätter prangerten ihn sogar als "Marionette" oder "Mr. Nobody" an.

Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Ministerpräsident aus der süditalienischen Region Apulien hat in den letzten Monaten sehr an politischer Statur, an staatsmännischer Erfahrung sowie auch an Popularität gewonnen. Zweimal konnte dank Contes Einsatz in Brüssel ein Defizitverfahren abgewendet werden. In seiner schwierigen Aufgabe, zwischen den ungleichen Partnern Fünf Sterne und Lega zu vermitteln, hat er stets als sachlicher Moderator gewirkt, der über den Parteien steht und immer die Verfassung im Auge behält. Dabei hat er viel Dialogbereitschaft und Kompetenz bewiesen.

Dank seiner Ruhe und seines diplomatischen Geschicks ist Conte laut Umfragen zum populärsten Politiker aufgerückt und überrundete sogar den polternden Lega-Chef Salvini, der vor dem Bruch der Regierungskoalition auf Erfolgskurs segelte. Kein Wunder, dass die Fünf-Sterne-Bewegung hartnäckig darauf besteht, Conte auch die Zügel der nächsten Regierung anzuvertrauen, die aus einem möglichen Pakt mit den Sozialdemokraten (PD) entstehen könnte.

Der 1964 geborene Conte stammt aus Volturara Appula, einem 400-Einwohner-Dorf nahe der apulischen Stadt Foggia. In die Schule musste er daher ins nahe gelegene San Giovanni Rotondo pendeln, den Wallfahrtsort des italienischen Nationalheiligen Padre Pio. Hier arbeitete auch Contes Vater einst in der Gemeindeverwaltung als Beamter. 1988 promovierte Conte an der römischen Universität "La Sapienza" summa cum laude. Der in Rom lebende Conte war vor seinem Wechsel in den Regierungssitz, den Palazzo Chigi, in Rom Professor für Privatrecht in Florenz und an der römischen Universität LUISS. Er war Mitglied des Obersten Verwaltungsgerichts und Mitglied des Wissenschaftlichen Komitees der italienischen Notariatsstiftung.

Politisch gilt Conte als progressiv und europafreundlich. Der geschiedene Vater eines elfjährigen Sohnes hatte sich auf Druck seines Freundes Alfonso Bonafede, scheidender Justizminister und rechte Hand von Fünf-Sterne-Chef Di Maio, der populistischen Bewegung genähert, war ihr jedoch nie beigetreten. Zuvor war Conte eigenen Angaben zufolge ein Linkswähler. "In der Vergangenheit habe ich links gewählt. Heute denke ich, dass die ideologischen Schablonen des 20. Jahrhunderts überholt sind", sagte Conte dazu.

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