Wie italienische Betrüger mit Weideflächen EU-Gelder abkassieren

Wie italienische Betrüger mit Weideflächen EU-Gelder abkassieren
Betrüger kaufen landesweit Weideflächen auf, um Millionen aus Brüssel abzusahnen. Manche holen sich sogar Zuschüsse für Grundstücke, die ihnen gar nicht gehören

In den 70er-Jahren konnte man auf den Brachflächen vor Mailand, damals noch eine von der Industrie verrußte Stadt, Schafe weiden sehen. Heute sind aus diesen Flächen Grünanlagen und Parks geworden. Die Tiere wiederum weiden inzwischen naturgerecht in den Alpen und Apenninen. Das zumindest könnte man anhand des Volumens der EU-Agrarzuschüsse schlussfolgern. 

In Wahrheit finden sich in italienischen Dokumenten viele Weideflächen wieder, die es gar nicht gibt, wie die investigative Zeitschrift Vialibera aufgedeckt hat. Betrüger wollen damit Zuschüsse aus dem EU-Fonds der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) kassieren.

Aus Erhebungen des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) geht hervor, dass italienische Unternehmen im Jahr 2022 mehr als 26 Millionen Euro an unrechtmäßigen Fördergeldern einheimsten. EU-weit waren es ca. 200 Millionen, in Österreich nur 67.000, in Deutschland knapp 2,7 Millionen Euro. Anekdoten zeigen auf, wie der Betrug funktioniert:

Mitte 2015 erhielt ein Tierzüchter aus der Gegend des Comer Sees bei seinem Antrag auf einen Zuschuss aus dem GAP-Fonds eine Absage mit der Begründung, das Geld sei bereits ausbezahlt worden. Daraufhin wandte sich der verdutzte Landwirt an die Finanzpolizei und erfuhr, dass er nicht das einzige Opfer eines gewieften Betrugssystems war: Kriminelle hatten im Namen von weiteren zwei Dutzend ahnungslosen Tierzüchtern aus seiner Gegend Anträge gestellt und abkassiert, sie alle galten in Brüssel als Zuschussempfänger.

Untersuchungen

2019 begannen die italienischen Behörden, großflächig zu ermitteln. Dabei kam heraus, dass hinter dieser Masche 88 Betriebe aus der norditalienischen Po-Ebene standen, manche von ihnen hatten sogar Weideflächen in den 600 Kilometer südlich gelegenen Abruzzen gemeldet.

Die meisten der Weideflächen würden die Massenbetriebe jedoch legal erwerben, wie Damiano Di Simine, von Legambiente, Italiens wichtigster Umweltorganisation, dem KURIER erklärt: „Immer wieder schreiben die Gemeinden Weideflächen zum Verkauf oder zur Pacht aus. Die kleinen Betriebe können da preislich mit den Massenbetrieben nicht mithalten.“

Langfristig funktioniere der Betrug jedoch selten, fährt Di Simine fort. „Um die Zuschüsse zu bekommen, müssen nämlich die Zahl der Tiere und die zur Verfügung stehenden Weideflächen den EU-Richtlinien entsprechen.“ So kommt es immer wieder vor, dass die Ermittler bei Kontrollen „Geisterweiden“ vorfinden, auf denen seit Jahrzehnten kein Tier mehr gegrast hat, weswegen sie vollkommen verödet sind.

Manche Bauern, die die Flächen pachten, seien ahnungslos, es gibt aber auch jene, die sehr wohl wissen, in welche Geschäfte sie sich mit den Großbetrieben einlassen. Dass Italien hinter Polen und Rumänien an dritter Stelle auf der EU-weiten Betrugsrangliste steht, sei natürlich kein Ruhmesblatt, gibt Di Simine zu. Ein weiterer Beweis für die Schlitzohrigkeit der Italiener – oder für besonders strenge landwirtschaftliche Kontrollen? Di Simine tippt „auf beides“.

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