Generalstreik in Israel für sofortigen Geiseldeal begonnen

Generalstreik in Israel für sofortigen Geiseldeal begonnen
"Wir können nicht weiter zuschauen": In Israel beginnt heute Montag nach dem Fund toter Geiseln ein Generalstreik. Der Druck auf Premier Netanyahu und seine Regierung wird damit nochmals erhöht.

Nach dem Fund der Leichen von sechs Hamas-Geiseln im Gazastreifen hat in Israel ein großer Proteststreik gegen die Regierung begonnen. 

Viele Städte und Gemeinden schlossen sich dem Protest an, andere verweigerten dies, weil sie eher der rechtsreligiösen Regierung von Benjamin Netanyahu nahestehen. Anders als angekündigt lief der Flugverkehr auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv aber zunächst weitgehend normal.

Der Gewerkschaftsdachverband hatte am Sonntag angekündigt, er wolle das Land einen Tag lang zum Stillstand bringen. Ziel ist es, den Druck auf Regierungsche Netanyahu zu erhöhen, damit er einem Deal zur Freilassung der verbliebenen Geiseln zustimmt. In vielen Städten blieben unter anderem Kindergärten, Banken und Behörden geschlossen. 

Auch der öffentliche Verkehr war betroffen. Bereits am Sonntag hatten Hunderttausende bei den größten Massenprotesten seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast elf Monaten ein sofortiges Abkommen mit der islamistischen Terrororganisation Hamas gefordert.

Finanzminister Bezalel Smotrich wollte den Generalstreik per einstweiliger Verfügung verhindern, mit der Begründung, es handle sich um einen "politischen Streik". Smotrich lehnt ebenso wie der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben Gvir Zugeständnisse an die Hamas ab und drohte Ministerpräsident Netanyahu mehrfach mit dem Platzen der Regierung.

Die israelische Armee hatte am Sonntagmorgen bekanntgegeben, dass kurz zuvor sechs Leichen von Hamas-Geiseln in einem unterirdischen Tunnel im Süden des Gazastreifens entdeckt worden waren. 

Sie waren bei dem überraschenden Überfall der Hamas und Kämpfer des verbündeten islamischen Jihad auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden. Nach israelischen Angaben töteten die Extremisten dabei 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen. Bei den darauf folgenden israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde bisher mehr als 40.600 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet und fast 94.000 verletzt.

Das israelische Gesundheitsministerium teilte nach Medienberichten mit, die Geiseln seien etwa 48 bis 72 Stunden vor der Autopsie der Leichen aus nächster Nähe erschossen worden. Ein Sprecher der militanten Palästinenser-Organisation Hamas sagte dagegen, die Geiseln seien durch israelisches Bombardement ums Leben gekommen.

Trauer um entführte Geiseln 

Bei den toten Geiseln handelt es sich um vier Männer - Hersh Goldberg-Polin (23), Alexander Lobanov (32), Almog Sarusi (27) und Ori Danino (25) - sowie zwei Frauen - Carmel Gat (40) und Eden Jerushalmi (24). Dem Forum der Angehörigen der Entführten zufolge waren fünf von ihnen am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste nahe des Gazastreifens entführt worden.

Die Namen "einiger" der sechs aus einem Tunnel bei Rafah tot geborgenen israelischen Geiseln standen nach Angaben der radikalislamischen Hamas auf einer Liste, die bei einem möglichen Abkommen mit Israel ausgetauscht werden sollten. "Einige der Namen der Gefangenen" seien "Teil einer von der Hamas bestätigten Liste" von Geiseln gewesen, die für einen Austausch mit palästinensischen Häftlingen vorgesehen gewesen seien, sagte ein Hamas-Funktionär am Sonntag der AFP.

Der israelische Ministerpräsident Netanyahu entschuldigte sich bei der Familie der getöteten russisch-israelischen Geisel Alexander Lobanov dafür, dass dieser nicht lebend gerettet wurde. Der Regierungschef wolle im Verlauf des Tages mit weiteren Familien sprechen, teilte sein Büro mit.

"Der Ministerpräsident hat tiefes Bedauern ausgedrückt und sich bei seiner Familie dafür entschuldigt, dass es dem Staat Israel nicht gelungen ist, Alexander und die fünf weiteren Geiseln lebend zurückzubringen", hieß es weiter in der Stellungnahme.

Unter den toten Geiseln war auch der amerikanisch-israelische Doppelstaatler Hersh Goldberg-Polin. Die Eltern des Mannes hatten sich unermüdlich für seine Freilassung eingesetzt. Erst im vergangenen Monat rührten sie die Teilnehmer eines Parteitags der US-Demokraten mit der Geschichte ihres Sohnes, der bei der Entführung einen Arm verloren hatte, zu Tränen. Am Donnerstag nahmen sie gemeinsam mit anderen Geisel-Angehörigen an einem Protest an der Gaza-Grenze teil. "Hersh, hier ist Mama", rief Rachel Goldberg-Polin mit einem Megafon in den Gazastreifen. "Ich liebe dich, bleib stark, überlebe!"

Ob es zu einer weiteren Vereinbarung über eine Waffenruhe und Freilassung von Entführten kommen kann, ist offen. Seit geraumer Zeit führen die USA, Ägypten und Katar in Kairo Vermittlungsgespräche über ein Abkommen, das eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln vorsieht. Die Gespräche sind allerdings festgefahren. Israel und die Hamas verweigern direkte Verhandlungen mit der Gegenseite. Hauptstreitpunkt ist die Frage, wie lange israelische Truppen am Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten stationiert bleiben dürfen.

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