Trotz naher Dschihadisten keine Angst
Ein Kind, etwa zwölf Jahre alt, zückt die Waffe und schießt: In den Kopf von Muchammad Said Mussallam. Der 19-Jährige aus Bet Chanina im Norden Jerusalems bricht zusammen. Zwei weitere Schüsse in den grellorange gekleideten Körper sollen den Tod endgültig sichern. Noch ein Hinrichtungsvideo des "Islamischen Staats" (IS) wie viele zuvor. Der Hingerichtete war ein Muslim – aber auch ein israelischer Mossad-Agent, so die IS-Anklage in Syrien. "Nein", beteuert seine Familie, "er wollte einfach nicht mehr kämpfen und nur noch nach Hause".
"Aus allen Wolken"
Überraschend auch die Vorgeschichte Saids. Nach seiner Matura arbeitete er als Freiwilliger bei der Feuerwehr im Rahmen des israelischen Zivildienstes. Seine Abreise nach Syrien im Dezember tarnte er als Fortbildungskurs bei der Feuerwehr. "Der IS versprach Sold und eine Ehefrau", erzählt Achmad. Sein Vater berichtet: "Ich fiel aus allen Wolken, als eine Woche später dieses Mail aus Syrien kam."
Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon dementierte jede Verbindung Musallams "zum Mossad oder anderen Diensten". Werden dessen Agenten gefasst, enthält sich Israel sonst offiziell jeden Kommentars. "Eine Tragödie", so Yaalon, "die Anwerbung über die neuen Medien fällt dem IS leicht. In der ganzen Welt, leider auch in Israel." Jedoch sei die Zahl der Angeworbenen mit israelischer Staatsbürgerschaft überschaubar. "Es handelt sich wohl um einige Dutzend."
Im Februar stand Hamsa Magamseh (22) aus Yaffiye vor Gericht in Nazareth. Er war im Oktober nach Syrien zum IS gereist. Achmad Schurbadschi (23) aus Um al-Fachm kämpfte einige Monate lang an der Front. Die Urteile gegen beide stehen aus. Aber eine Rückkehr ist unblutiger als eine Hinrichtung im IS.
Gerade die Nähe zum Bürgerkrieg und Gemetzel in Syrien, direkt am nördlichen Grenzzaun Israels, schafft einen klareren Blick: Viele israelische Araber haben dort Familie. Sie hören aus erster Hand von der Brutalität aller Kampfseiten im Bürgerkrieg. Wer sich für eine der Seiten entscheidet, wird von der Gegenseite bedroht. Wer neutral bleiben will, wird zwischen allen Kampfseiten zerrieben.
IS-Getreue am Golan
Wobei das Blutvergießen dort mehr als zwei Seiten hat. Drei der Rebellenmilizen auf dem Golan, auf Sichtweite zu Israel, schworen im Jänner dem IS die Treue. Vorher galten sie als El-Kaida-ausgerichtet. Israels Armee hält sich zum benachbarten Gemetzel zurück, außer wenn unmittelbare Gefahr droht, schießt aber nicht häufig mit. In der Nacht zum Mittwoch wurde ein israelischer Grenzsoldat leicht verletzt. Es wurde nicht zurückgeschossen. Minister Yaalon: "Die Herkunft des Feuers konnte nicht genau festgestellt werden."
Auch auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel im Süden tobt ein Terror-Krieg, auch dort morden Islamisten.
Aus israelischer Sicht viel gefährlicher und näher sind immer wieder Spontan-Anschläge einzelner Palästinenser in Israel. Was Premier Benjamin Netanyahu im Wahlkampf ausnutzt, wenn er sich als Terror-Bekämpfer darstellt. Der IS spielte da bisher kaum eine Rolle. Dschihadisten mögen im Ausland Attentate gegen Juden verüben, von direkten Angriffen gegen Israel aber kann nicht die Rede sein. Denn im Gegensatz zu Muchammad Said Musallem, wehrlosen Christen oder Jesiden gibt es mit Zionisten ein Problem: Die schießen zurück.
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