Die Menschen kauern auf einer Ladefläche, Männer neben Frauen, dazwischen viele Kinder. Ein paar Momente später fliegt alles in die Luft. 70 palästinensische Flüchtlinge, alle auf dem Weg in den Süden des Gazastreifens, sterben.
Videos davon fluten seit Samstag das Netz, daneben stets hasserfüllte Kommentare. Die Israelis hätte den Palästinensern eine sichere Flucht versprochen, ihnen Fluchtkorridore und Zeitfenster gegeben. Aber jetzt? Jetzt „massakriert Israel Kinder.“
Bilder und Vorwürfe wie diese sind seit dem Terrorangriff der Hamas vor einer Woche auf allen Social-Media-Kanälen allgegenwärtig. Der Krieg im Nahen Osten wird auch im Netz ausgetragen, und dahinter stecken eher selten aufmerksame Privatleute und Journalisten, sondern meist staatlich finanzierte Netzwerke. Sie bringen bewusst Falschmeldungen oder aus dem Kontext gerissene Videos in Umlauf, um die Frage, wer woran schuld ist, zu verwischen.
Im konkreten Fall – dem Beschuss der Zivilisten – hat Israel jegliche Verantwortung von sich gewiesen, ein Bombardement an dieser Stelle habe es nicht gegeben. Im Gegenteil: Die Hamas habe dort eine Sprengfalle platziert, so wie sie es schon oft getan habe, sagen die Streitkräfte – man opfere die eigenen Anhänger, um die Schuld Israel zuzuschieben. Einen Beweis dafür liefert man nicht.
Bis zu Präsident Biden
Denkbar wäre das allerdings, sagen Beobachter. Denn die Hamas schreckt vor massiver Brutalität nicht zurück, hat mit ihrem Angriff am Samstag eine neue Dimension des Grauens erreicht – sie hat ihren Terror quasi livegestreamt hat. Als die Kämpfer eine neunfache Großmutter im Kibbuz Nir Os ermordeten, filmten sie die Sterbende mit deren Smartphone und luden das Video auf ihrem eigenen Facebook-Account hoch.
Das war kein Einzelfall, es hatte System. Manche der Angreifer trugen absichtlich GoPro-Kameras, um ihre Gräueltaten zu filmen. Das soll, sagen Experten, andere Islamisten zu ähnlichen Taten inspirieren – eine Taktik, die auch der IS angewendet hat.
An manche Taten glaubt aber auch die eigene Anhängerschaft nicht, weil sie zu grausam sind. Pro-palästinensische Accounts verwehren sich etwa gegen die Meldung, dass Hamas-Kämpfer im Kibbuz Kfar Aza 40 Babys enthauptet haben sollen. Das habe Israel erfunden, heißt es auch von der Hamas-Führung; man habe weder Kinder noch Frauen angegriffen.
Die Meldung ist ein gutes Beispiel dafür, wie kleine Ungereimtheiten Tatsachen ins Wanken bringen können. Nachdem US-Präsident Joe Biden die Tat verurteilte und sagte, er hätte nie gedacht, einmal Bilder von Terroristen zu sehen, die Kinder enthaupten, relativierte das Weiße Haus diese Aussage. Biden selbst habe die Bilder nicht gesehen, er habe sich nur auf Medienberichte bezogen, hieß es: später konnten die israelischen Streitkräfte dann auch nicht bestätigen, dass es sich um 40 Babys gehandelt habe. Daraufhin hieß es: alles Fake.
Erfunden hat Israel die Geschichte aber wohl nicht. Premier Benjamin Netanjahu selbst postete kürzlich zum Beweis Bilder verbrannter und verstümmelter Säuglinge auf X (Ex-Twitter). Bilder, die zumindest die Zweifel an der Brutalität des Angriffs ausräumen sollten.
Kommentare