Bodenoffensive in Gaza begonnen: Letzte öffentlichen Klinik musste Betrieb einstellen

PALESTINIAN-ISRAEL-CONFLICT
Israel hatte am Samstag den Beginn einer neuen Militäroffensive in Gaza bekanntgegeben. Es gibt bereits über 100 Tote.

Die israelische Armee hat im Zuge ihrer neuen Großoffensive im Gazastreifen nun auch einen groß angelegten Einsatz von Bodentruppen gestartet. Sie seien seit Samstag im gesamten Norden und Süden des Küstengebiets gegen die islamistische Hamas im Einsatz, teilte das Militär am Sonntag mit. 

Wegen der derzeit heftigen israelischen Angriffe ist palästinensischen Angaben zufolge das letzte öffentliche Krankenhaus im Norden des Gazastreifens nicht mehr arbeitsfähig. Schwerer Beschuss verhindere, dass Patienten, Personal und Güter ins Indonesische Krankenhaus in Beit Lahia kämen, teilte die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mit. Damit seien nun alle Kliniken im Norden des umkämpften Küstenstreifens außer Betrieb.

Israels Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Bericht. Das israelische Militär wirft der Hamas immer wieder vor, sich in Kliniken zu verschanzen und Krankenhäuser für militärische Zwecke zu nutzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dagegen in der Vergangenheit eine "systematische Zerlegung" des Gesundheitssystems im Gazastreifen durch die israelische Armee kritisiert. Israels Armee betont regelmäßig, im Einklang mit dem Völkerrecht zu handeln. Dieses verbietet Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser in Kriegszeiten. Sie können ihren Schutzstatus jedoch unter bestimmten Umständen verlieren, etwa wenn sie für Verstecke für Kämpfer oder als Waffenlager benutzt werden.

Bei den derzeit heftigen Angriffen Israels gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen hat es indes wieder viele Opfer gegeben. Seit der Nacht seien mindestens 110 Menschen getötet worden, hieß es aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen. Demnach gab es auch viele Verletzte. Israel hatte am Samstag den Beginn einer neuen Militäroffensive in Gaza bekanntgegeben. EU-Ratspräsident António Costa forderte auf X ein Ende der Gewalt.

Wafa meldete unter Berufung auf medizinische Kreise, bei einem Bombardement in der Gegend von Al-Mawasi im Süden des Küstenstreifens habe es mehr als 20 Tote und rund 100 Verletzte gegeben. Bei dem Angriff seien Zelte getroffen worden, in denen Vertriebene untergebracht gewesen seien. Auch diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, dem Bericht nachzugehen. Wafa meldete mehrere tödliche Angriffe in verschiedenen Gebieten des Gazastreifens.

UNO-Generalsekretär: Lage in Gaza mehr als unmenschlich

"Ein ganzes Volk wird mit erdrückender, unverhältnismäßiger militärischer Gewalt angegriffen. Internationales Recht wird systematisch verletzt." Eine dauerhafte Waffenruhe und "die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln" seien dringender denn je. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres schrieb, die Lage für die Palästinenser in Gaza sei mehr als unmenschlich. Die Blockade humanitärer Hilfe "muss sofort beendet werden".

Israels Militär hatte in der Nacht zuvor den Auftakt zu einem neuen Großangriff in Gaza bekanntgegeben. Man habe damit begonnen, "umfangreiche Angriffe durchzuführen und Truppen zu mobilisieren, um die operative Kontrolle in Gebieten des Gazastreifens zu erlangen". Nach palästinensischen Angaben wurden seither weitere zahlreiche Menschen getötet und verletzt. Die Angaben aus dem Palästinensergebiet ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.

Israels Verteidigungsminister: Hamas will verhandeln

Nach Ansicht der israelischen Regierung zeigt die neue Großoffensive bereits Wirkung. "Mit dem Beginn der Operation "Gideon's Chariots" im Gazastreifen, die die Armee mit großer Kraft durchführt, kündigte die Hamas-Delegation in Doha eine Rückkehr zu den Verhandlungen über ein Geiselabkommen an", teilte Israels Verteidigungsministers Israel Katz mit. Die Islamistenorganisation bestätigte eine neue Gesprächsrunde mit Israel in der katarischen Hauptstadt Doha.

Die Verhandlungen unter katarischer und US-amerikanischer Vermittlung fänden ohne Vorbedingungen statt und basierten nicht auf früheren israelischen Vorschlägen, sagte der ranghohe Funktionär Mahmud Mardawi. Es gibt jedoch weiter viele Streitpunkte. Selbst wenn die Hamas anbiete, weitere Geiseln freizulassen, werde Israel den Krieg nicht beenden, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kürzlich betont. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe sei zwar möglich, nicht aber ein dauerhaftes Ende der Kämpfe.

Angehörige fürchten um Schicksal der Geiseln

Die Angehörigen befürchten, dass dies für die verbliebenen Geiseln den Tod bedeuten könnte. In mehreren Städten Israels gingen erneut Menschen auf die Straße und forderten die Freilassung der Verschleppten.

Nach israelischen Angaben werden derzeit noch mindestens 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Der Status von drei weiteren Entführten ist unklar. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten in dem Küstengebiet. Unbestätigten israelischen und arabischen Medienberichten zufolge ist in Doha eine ein- bis zweimonatige Feuerpause im Gespräch. US-Außenminister Marco Rubio telefonierte indes mit Netanjahu.

Beide hätten über die Lage in Gaza und ihre gemeinsamen Bemühungen um die Freilassung aller verbliebenden Geiseln gesprochen, teilte eine Sprecherin des US-Außenministeriums mit. Die USA sind Israels wichtigster Waffenlieferant. Zuletzt war jedoch unklar, ob die Verhandlungen in der katarischen Hauptstadt wieder platzen und die Delegationen aus Israel und von der Hamas abziehen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das die Hamas und andere Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 verübt hatten. Rund 1.200 Menschen wurden dabei getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seit Beginn des folgenden Krieges wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 53.100 Palästinenser in Gaza getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich unabhängig kaum überprüfen.

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