Gaza: 6 Journalisten bei israelischem Angriff getötet

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Zu den Getöteten zählte auch der Korrespondent Anas al-Sharif. Die israelische Armee bezeichnete ihn als "Terrorist".

Zusammenfassung

  • Bei einem israelischen Angriff in Gaza wurden fünf Al-Jazeera-Mitarbeiter, darunter der bekannte Korrespondent Anas al-Sharif, getötet.
  • Die israelische Armee bezeichnete al-Sharif als Hamas-Terroristen, während Al-Jazeera und internationale Stellen diese Behauptung zurückweisen und unabhängige Beweise fordern.
  • Das Komitee zum Schutz von Journalisten und die palästinensische Journalistengewerkschaft kritisierten den Angriff scharf und betonten die Gefährdung von Journalisten im Gazastreifen.

Bei einem israelischen Angriff in Gaza-Stadt sind am Sonntagabend insgesamt sechs palästinensische Journalisten getötet worden. 

Neben fünf Journalisten des TV-Senders Al-Jazeera sei auch ein freier Reporter unter den Toten, teilte die Organisation Reporter ohne Grenzen mit. Der Journalist Anas al-Sharif wurde zusammen mit seinen Kollegen bei einem "mutmaßlich gezielten israelischen Angriff" getötet, berichtete der katarische Sender.

"Vor kurzem hat die IDF in der Stadt Gaza den Terroristen Anas al-Sharif getroffen, der sich als Journalist für den Sender Al-Jazeera ausgab", erklärte die israelische Armee am späten Sonntag im Onlinedienst Telegram. Al-Sharif sei "ein Anführer einer Terrorzelle der Terrororganisation Hamas und verantwortlich für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und IDF-Truppen" gewesen.

Al-Jazeera: Keine Beweise für israelische Behauptungen

Der arabische Sender erklärte dazu, das israelische Militär habe keine von unabhängigen internationalen Stellen verifizierten Unterlagen vorgelegt, die diese Behauptung belegen würden. Die UNO-Sonderberichterstatterin Irene Khan hatte bereits im vergangenen Monat erklärt, dass die israelischen Behauptungen unbegründet seien. Israels Armee verwies dagegen auf nachrichtendienstliche Informationen und im Gazastreifen gefundene Dokumente, die die militärische Zugehörigkeit von Anas al-Sharif zur Hamas belegen würden. Al-Sharif sei verantwortlich für die Durchführung von Raketenangriffen auf israelische Zivilisten und Soldaten gewesen. Zu den anderen vier Opfern des Angriffs äußerte sich das Militär nicht.

Al-Sharif war einer der bekanntesten Reporter des arabischsprachigen Senders im Gazastreifen. Er berichtete seit Ausbruch des Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 über die Geschehnisse vor Ort. Besonders in der arabischen Welt galt der 28-Jährige als prominentes Gesicht der Berichterstattung aus Gaza. 

Der in Katar ansässige Sender verurteilte den Angriff als einen weiteren "vorsätzlich geplanten Angriff auf die Pressefreiheit." Al-Sharif und seine Kollegen seien eine der letzten öffentlichen Stimmen aus Gaza gewesen. Neben al-Sharif seien dabei auch der Al-Jazeera-Korrespondent Mohammed Qriqea und die Kameramänner Ebrahim Zaher, Moamen Aliwa sowie deren Assistent Muhammed Nofal getötet worden.

Zuvor am Sonntag hatte al-Sharif im Onlinedienst X von "intensiver, konzentrierter israelischer Bombardierung der Stadt Gaza" berichtet. Einer seiner letzten Beiträge enthielt ein kurzes Video, das israelische Angriffe auf die Stadt zeigte.

Große Menschenmengen säumten am Tag danach den letzten Weg der Getöteten zum Scheich-Radwan-Friedhof in der Stadt Gaza, berichtete Al-Jazeera unter Berufung auf verifizierte Clips in den sozialen Medien. Freunde, Kollegen und Verwandte umarmten und trösteten einander. Ein Mann reckte eine Schutzweste mit der Aufschrift "Press" in die Höhe, während andere ihre Tränen wegwischten.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres verurteilte die Tötung der Journalisten. "Der Generalsekretär fordert eine unabhängige und unparteiische Untersuchung dieser jüngsten Tötungen", sagt Guterres' Sprecher Stephane Dujarric am Montag in New York. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen seien mindestens 242 Journalisten getötet worden. "Journalisten und Medienschaffende müssen respektiert und geschützt werden und ihre Arbeit frei, ohne Angst und ohne Schikanen ausüben können."

Journalistenkomitee entsetzt

Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) äußerte sich "entsetzt" über den Tod der fünf Journalisten. "Die Praxis Israels, Journalisten ohne glaubwürdige Beweise als Kämpfer zu bezeichnen, wirft ernsthafte Fragen" auf, erklärte CPJ-Regionalleiterin Sara Kudah in der Nacht auf Montag. "Journalisten sind Zivilisten und dürfen niemals zur Zielscheibe werden", fügte Kudah hinzu.

Die palästinensische Journalistengewerkschaft bezeichnete den israelischen Angriff auf al-Sharif und seine Kollegen als "blutiges Verbrechen" und Ermordung.

Der Auslandspresseverband in Israel (FPA) zeigte sich empört über die Tötung al-Sharifs und seiner Kollegen. "In den letzten 22 Monaten hat das israelische Militär palästinensische Journalisten wiederholt als Militante abgestempelt, oft ohne nachprüfbare Evidenz, und sie damit zu Angriffszielen gemacht", schrieb der Verband in einer Stellungnahme.

Angespanntes Verhältnis zwischen katarischem Sender und Israel

Das Verhältnis zwischen Israel und dem katarischen Sender Al-Jazeera ist seit Jahren angespannt. In Israel besteht aktuell ein Sendeverbot gegen Al-Jazeera. Ermöglicht worden war dies durch ein im April beschlossenes Gesetz, welches das Verbot ausländischer Medien vorsieht, die als schädlich für die Sicherheit Israels angesehen werden. Israels Kommunikationsminister Shlomo Karhi hatte den Sender als "ein Sprachrohr des Terrorismus im Dienste der Hamas" bezeichnet. Der Sender weist die Anschuldigungen zurück.

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel, bei dem 1.219 Menschen getötet worden waren, geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums wurden seit Beginn der israelischen Militäroffensive im Oktober 2023 mehr als 61.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Am Samstag erklärte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz im Gazastreifen, bei israelischen Angriffen seien an diesem Tag mindestens 37 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien 30 Zivilisten, die auf Hilfsgüter gewartet hätten.

Aufgrund der massiven Einschränkungen für Medien in dem Palästinensergebiet lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen.

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