Ein Leben ohne Handy – Wo das für Kinder bereits Realität ist
Von Franziska Trautmann
Immer mehr Länder schränken die Handy- und vor allem Social-Media-Nutzung von Kindern und Jugendlichen ein. Obwohl bereits europaweit in vielen Schulen ein striktes Handy-Verbot für Schüler gilt, überlegte sich die irische Stadt Greystones, noch härter gegen den übermäßigen Konsum von technischen Geräten vorzugehen.
Direktoren von acht Volksschulen in Greystones starteten eine Initiative für einen freiwilligen Smartphone-Verbotskodex, bis die Kinder in weiterführende Schulen kommen. Das erstaunliche: 96 Prozent der Eltern stimmten begeistert zu.
Mehr Online als in Realität
Nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause widmen sich Kinder immer mehr der Online-Welt als der Realen. Egal ob auf Tiktok oder Instagram, sie werden oft mit Inhalten konfrontiert, die bleibende Eindrücke hinterlassen. Rachel Harper, Direktorin der St. Patrick's National School, merkte immer mehr, wie ihre Schüler der Social-Media Sucht verfielen und dabei Depressionen, Essstörungen und Panikattacken entwickelten. Als Antwort auf die sich zuspitzende psychische Gesundheit der Kinder rief Harper mit sieben weiteren Direktoren einen freiwilligen Smartphone-Verbotskodex ins Leben.
Eltern würden sich dazu verpflichten, ihren Kindern bis zur weiterführenden Schule, also circa dem 11. Lebensjahr, kein Smartphone zu kaufen. Kein Smartphone, kein Social-Media. Und wenn alle Kinder kein Handy haben, kommt es auch nicht zur Ausgrenzung Einzelner. Der Großteil an Eltern reagierte begeistert und war sich sicher, keinen Kampf mehr um Handyverbote oder Einschränkungen führen zu müssen. Nun könnten sie auf den Kodex verweisen.
40 Prozent unter 13 Jahren
Vivek Murthy aus den USA veröffentlichte 2023 Statistiken und Effekte über Social-Media Nutzung von Kindern und Jugendlichen. Dabei stellte sich heraus, dass allein in den USA 40 Prozent der Kinder im Alter von 8-12 Jahren regelmäßig auf sozialen Medien aktiv sind, obwohl bei den meisten Plattformen das Mindestalter für die Nutzung 13 Jahre beträgt.
Laut Murthy haben soziale Medien ein erhebliches Risiko für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen, weshalb ein vorsichtiger Umgang nahegelegt wird.
„It takes a village“
In Greystones gingen Harper und die anderen Direktoren sogar noch einen Schritt weiter. Sie gründeten im Mai 2023 die Initiative „It takes a village“ um eine Gemeinschaft von Diensten zur Unterstützung von Kindern, Familien und Lehrern aufzubauen, die Hilfe bei Problemen mit Angstzuständen bei kleinen Kindern in der Region benötigen.
„Die Kindheit scheint immer kürzer zu werden, und wir haben das Gefühl, dass viele Kinder emotional noch nicht in der Lage sind, ein intelligentes Gerät zu bedienen“, äußerte sich Harper gegenüber der Irish Times.
Eoghan Cleary, Lehrer in Greystones, erklärte der Süddeutschen Zeitung, welche Erlebnisse er bereits mit von Social-Media geprägten Jugendlichen hatte. Für ihn war besonders furchtbar, vermehrt Schüler mit Suizidgedanken vor sich zu haben. Er hofft auf einen Wandel in den Köpfen der Kinder mit dem Handy-Verbot. Nicht nur Lehrer, sondern auch Eltern sehen es als geeignete Möglichkeit, um die Reißleine noch rechtzeitig ziehen zu können.
Australiens Gesetz für unter 16 Jährige
Erst im November beschloss Australien das Gesetz über ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige. Auch hier liegt der Gedanke, junge Menschen vor den „Schäden“ der sozialen Medien zu schützen, zugrunde. Zwar tritt das Gesetz erst in einem Jahr in Kraft, aber bereits jetzt äußerten sich Kritiker über die Funktionsweise des Verbots und seine Auswirkungen auf die Privatsphäre und soziale Beziehungen von Jugendlichen.
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