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Konfrontationskurs: EU reaktiviert Abwehrgesetz gegen US-Sanktionen

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Mit einer Verordnung könnte es europäischen Unternehmen verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten.

Im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran wird die EU-Kommission eine Notfallverordnung zur Abwehr von US-Sanktionen gegen europäische Firmen aktivieren. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte nach dem EU-Sondergipfel am Donnerstag in Sofia, den Prozess für das "Blocking Statute" von 1996 werde am morgigen Freitag in der Früh starten.

Mit der Verordnung könnte es europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln, dass die europäischen Unternehmen für etwaige Verluste entschädigt werden. Damit würde die Handelskrise zwischen den USA und der EU noch verschärft.

Es sei die Pflicht der EU, europäische Unternehmen zu schützen, vor allem Klein- und Mittelbetriebe. Die Vorschläge der EU-Kommission seien vom Gipfel unterstützt worden. EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete werde in den nächsten Tagen in den Iran reisen, sagte Juncker.

Das Problem sei nicht, dass es unvorhersehbare Partner gebe, sondern vielmehr, "wenn dein engster Freund unvorhersehbar ist", sagte Tusk am Donnerstag in Sofia. Er stimme mit US-Präsident Donald Trump darin überein, dass Unvorhersehbarkeit nützlich sein könne. "Aber nur gegenüber Feinden", räumte der Ratsvorsitzende ein. Bereits am gestrigen Mittwoch hatte Tusk Trump scharf kritisiert. Wer solche Freunde habe, brauche keine Feinde, sagte er.

Abwehrgesetz bislang noch nicht angewendet

Wie genau das EU-Abwehrgesetz zum Einsatz kommen könnte, blieb zunächst unklar. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Sofia, umfassende Entschädigungen für europäische Unternehmen halte sie nicht für machbar. "In einer umfassenden Weise die gesamte Wirtschaft zu entschädigen bei entsprechenden Maßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika - da können und dürfen wir auch keine Illusionen schüren", sagte Merkel.

Das Abwehrgesetz war bereits 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden. Es wurde aber noch nicht angewendet, da der Sanktionsstreit damals beigelegt werden konnte. Es muss nun um die neuen US-Sanktionen ergänzt werden. Dies solle bereits an diesem Freitagvormittag um 10.30 Uhr geschehen, sagte Juncker. Ziel ist, dass das Gesetz einsatzbereit ist, wenn US-Sanktionen am 6. August wirksam werden sollten.

Hintergrund der Pläne ist die Tatsache, dass die US-Sanktionen auch nicht-amerikanische Unternehmen treffen, die mit dem Iran Geschäfte machen. Der Iran befürchtet, deswegen einen Großteil der wirtschaftlichen Vorteile zu verlieren, die er über den Atom-Deal versprochen bekommen hatte.

Iran forderte praktische Lösungen

Ziel der Regierung in Teheran ist es nun, innerhalb von 60 Tagen von den Europäern Garantien zu bekommen, dass die Wirtschaftsbeziehungen und der Kapitalverkehr erhalten bleiben. Wenn nicht, will er sich nicht mehr an das Abkommen halten. Ziel des Wiener Abkommens von 2015 ist es, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen bauen zu können.

Der Iran hat unterdessen von der EU praktische Lösungen hinsichtlich des Atom-Deals gefordert und nicht nur Lippenbekenntnisse. "Das Treffen mit der EU in Brüssel war nur eine positive politische Botschaft und ein guter Anfang - der aber reicht nicht aus", sagte Außenminister Mohammad Javad nach Angaben der Tageszeitung "Etemad" vom Donnerstag. Bei dem Treffen waren Möglichkeiten zum Erhalt des Atomabkommens mit dem Iran auch nach dem Ausstieg der USA erörtert worden. Teheran müsse sich ja letztendlich entscheiden, ob es sich lohne, im Wiener Atomabkommen von 2015 zu bleiben oder nicht. "Dafür brauchen wir logischerweise praktische Maßnahmen, die wir der Führung in Teheran vorweisen können, damit die sich dann entscheiden", sagte der iranische Chefdiplomat.

Daher plane das Außenministerium in den nächsten Wochen auch Gespräche mit der EU auf Expertenebene und, falls notwendig, auch auf höherer Ebene. Das erste Expertentreffen sei laut Zarif für den nächsten Freitag in Wien geplant, so die Zeitung. "Der Iran ist natürlich nicht so blauäugig, zu glauben, dass die EU wegen des Iran ihre Beziehungen zu den USA in Gefahr bringen würde", sagte Zarif. Aber er gehe schon davon aus, dass sich die Europäer für ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit - sowie ihre Interessen im Iran - von den Entscheidungen der USA und Präsident Donald Trump distanzieren sollten.

Handelsabkommen mit dem Iran

Nach Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen entschieden sich nicht nur die Europäer, sondern auch der iranische Präsident Hassan Rouhani, in dem Abkommen zu bleiben. Die Bedingung sei jedoch die vertragsgerechte Umsetzung der Vereinbarungen, besonders die wirtschaftlichen Vorteile nach der Aufhebung der Sanktionen.

Russland baut nach der Verhängung neuer US-Finanz- und Handelssanktionen gegen den Iran rund um den Ausstieg aus dem Atom-Deal seine Wirtschaftsbeziehungen mit der Islamischen Republik aus. Die von Russland dominierte Eurasische Wirtschaftsunion schloss am Donnerstag in der kasachischen Hauptstadt Astana ein temporäres Handelsabkommen mit dem Iran, das die Zölle auf Hunderte Güter senkt. Zudem wurden Verhandlungen aufgenommen, um binnen drei Jahren eine Freihandelszone zu schaffen. Neben Russland gehören zur Eurasischen Wirtschaftsunion auch Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Weißrussland.

Russische Konzerne sind den US-Strafmaßnahmen weniger ausgesetzt als jene aus EU-Staaten, da viele ohnehin aufgrund der wegen der russischen Annexion der Krim verhängten US-Sanktionen keine Geschäfte mit den Vereinigten Staaten haben. Auch chinesische Unternehmen dürften die Sanktionen weniger treffen. Schon heute sind viele Firmen der Volksrepublik mit Unterstützung der Regierung in Peking im Iran aktiv. Der chinesische Außenamtssprecher Geng Shuang sagte am Donnerstag, China werde die "normale und transparente praktische Kooperation mit dem Iran" fortsetzen, solange sich das Land an seine internationalen Verpflichtungen halte. Die chinesische Regierung lehne grundsätzlich "unilaterale Sanktionen" und jeden Versuch ab, anderen Ländern ihre eigenen Gesetze aufzuzwingen, sagte der Sprecher.

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