Zweiter Anlauf zur Regierungsbildung

Nuri al-Maliki will weiterhin keine Einheitsregierung mit Sunniten und Kurden - das Machtvakuum bleibt somit bestehen
Ob der Schiit al-Maliki eine Regierung mit Kurden und Sunniten eingeht, wird bezweifelt.

Das irakische Parlament will am Sonntag mit der Wahl einer politischen Führung beginnen. Ziel ist es, das gefährliche Machtvakuum in dem Land zu beenden. Es ist bereits der zweite Anlauf. Die Abgeordneten müssen zuerst einen Parlamentspräsidenten bestimmen und dann später den Präsidenten und den Ministerpräsidenten wählen. Die rasche Bildung einer neuen Regierung ist jedoch wenig wahrscheinlich.

Al-Maliki lehnt Einheitsregierung ab

Der umstrittene schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki lehnt ein Bündnis der nationalen Einheit ab, während die politischen Blöcke der Kurden und der Sunniten genau das fordern. Auch westliche Beobachter halten die Einheitsregierung für den einzigen Weg, den Vormarsch der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) zu stoppen. Das irakische Recht sieht vor, dass der Parlamentspräsident ein Sunnit ist, der Ministerpräsident Schiit und der Präsident Kurde.

Der Irak steht nach Worten eines wichtigen Sunnitenführers am Scheideweg. "Entweder gibt es eine gemeinsame Regierung unter einem neuen Ministerpräsidenten oder das Land endet im Bürgerkrieg und zerfällt", zitierte das Nachrichtenportal Sumaria News den früheren Parlamentspräsidenten Osama al-Nujaifi.

Keine Einheit im Irak

Es habe bisher keine Chance auf eine wirkliche Partnerschaft zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden im Irak gegeben, stattdessen aber ein Machtmonopol (der Schiiten) und Ausgrenzung anderer, fügte er mit Blick auf den autoritären Führungsstil von Regierungschef Nuri al-Maliki hinzu.

Der Schiit Al-Maliki ist seit 2006 Regierungschef und strebt nach dem Sieg seines Wahlbündnisses bei der Parlamentswahl Ende April trotz zahlreicher Rücktrittsforderungen eine neue Amtszeit an. Die Bildung einer Einheitsregierung mit Sunniten und Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz IS lehnt er vehement ab. Deshalb kommt das Land aus dem Machtvakuum nicht heraus.

Kurdische Autonomie

Die kurdische Autonomieregierung im Nordirak bereitet derzeit ein Referendum vor, dass die kurdischen Gebiete in die Unabhängigkeit führen soll. Auch die Sunniten erwägen eine Abspaltung ihrer Gebiete im Norden und Westen. Dort sind auch die IS-Jihadisten besonders stark.

Unterdessen hat die irakische Armee im Verbund mit anderen Sicherheitskräften und Stammeskämpfern einen Angriff von Jihadisten auf die strategische wichtige Stadt Haditha im Westen des Landes zurückgeschlagen. Die Extremisten seien in Fahrzeugen von zwei Seiten auf die Stadt in der Provinz Anbar vorgerückt, teilte die Polizei am Samstag mit. Sie seien aber noch vor der Stadt gestoppt worden.

Erneut Kämpfe

Bei den Gefechten wurden demnach mindestens 13 Jihadisten und vier Polizisten getötet. Auch in der Provinz Diyala im Zentrum des Landes gab es nach offiziellen Angaben neue Kämpfe. Hier starteten Sicherheitskräfte eine Offensive in mehreren Städten und Regionen, die zuvor von den Jihadisten erobert worden waren.

Die radikalislamistische Gruppierung IS hat es bislang nicht geschafft, bis in die Hauptstadt vorzudringen.

Seit der Machtübernahme der radikal-sunnitschen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS) in weiten Teilen des Irak droht das Land zu zerfallen. Mit der Ausrufung eines Kalifats hat so etwas wie eine Zeitwende im Nahen Osten eingesetzt.

Die Big Player im Irak-Konflikt bleiben die gleichen: USA, Iran, die Golfstaaten, Türkei und die Kurden. Die Verhältnisse zwischen Ihnen sind aber äußerst komplex und für Laien nur schwer verständlich. Wie stehen sie zueinander?

Iran und USA

Rund 35 Jahren, seit der Islamischem Revolution mit dem Sturz des Schahs, der Geiselnahme von 52 US-Bürgern für 444 Tage 1979-1980 und der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran, herrscht diplomatischer Stillstand zwischen den beiden Staaten. In den vergangenen Jahren kam der Streit um das iranische Atomprogramm erschwerend dazu.

Die Machtübernahme der ISIS in machen Teilen des Irak veranlasst die amerikanische und iranische Regierung zu gemeinsamen Gesprächen. Während US-Präsident Barack Obama etwa 800 Militärberater nach Bagdad sendet, kann sich Irans Präsident Hassan Rohani Waffenlieferungen an das irakische Militär vorstellen. Warum? Der hauptsächlich schiitische Iran führt engste Beziehungen zur irakischen Regierung, die ebenfalls schiitisch dominiert ist. Gemeinsam will man die sunnitische ISIS-Bewegung stoppen.

Aber das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran ist trotz der gemeinsamen Vorgehensweise im Irak weiterhin angespannt. Vor allem der Bürgerkrieg in Syrien stellt derzeit eine unüberwindbare Hürde dar. Der Iran untersützt das Regime von Bashar al-Assad, das gegen die sunnitischen Rebellen vorgeht. Die USA hingegen stärken den Oppositionellen den Rücken, was der iranischen Regierung nicht gefällt.

USA und Golfstaaten

Kuwait, Bahrain, Saudi Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman (Golfstaaten) wollen gemeinsam mit den USA die Nuklearwaffen-Bestrebungen des Iran stoppen und somit den iranischen Einfluss in Nahost unterbinden.

Vor allem Saudi Arabien (mehrheitlich sunnitisch-wahabitisch) kämpft gegen den schiitischen Iran um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Einer Meinung sind sich die USA und die Golfstaaten auch in Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien: gegen Assad, für die syrischen Rebellen.

Aber die USA sind auf Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi Arabien nicht gut zu sprechen. Diese gelten nämlich als wichtige Finanziers der sunnitisch-militanten Bewegungen im Irak und Syrien.

In Katar ist auch der Sitz des TV-Senders Al Jazeera. Der Emir finanziert die ägyptische Muslimbruderschaft, was zu Spannungen zwischen Saudi Arabien und Katar führte. Die Golfstaaten wiederum lehnen die von den USA unterstützte schiitisch-dominierte Regierung Iraks ab - der irakische Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ist ihnen ein Dorn im Auge.

Türkei und irakische Kurden

Ablehnend stehen sich die Türkei und die Kurden gegenüber. In den letzten Jahren gab es aber mehrere Annäherungsversuche, was zu einer breiten, finanziellen Beziehungen zwischen ihnen führte.

Der anhaltende Bürgerkrieg in Syrien ist ein großes Problem für die Türkei und für die dort ansässigen Kurden. Die türkische Regierung fürchtet weitere Flüchtlingsströme und neue Kampfhandlungen nahe der syrisch-türkischen Grenzen. Die Kurden fühlen sich von dem Vormarsch der ISIS bedroht - sie könnten kurdisch bewohnte Gebiete in Syrien übernehmen. Man einigte sich deshalb auf eine Zusammenarbeit in Syrien.

Aber die Regierung in der Türkei ist über den Erfolg der Kurden über die sunnitische ISIS im Irak besorgt. Die Türkei befürchtet, dass die Autonomiebestrebung (siehe hier) der irakischen Kurden auf die kurdische Bewegung in der Türkei überspringen könnte. Deswegen misstrauen die Kurden jegliche Intervention der Türkei im Irak - es könnte ein Hinterhalt sein.

Kurden und al-Malikis Regierung

Nachdem der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud Barzani, in einem BBC-Interview ein Unabhängigkeitsreferendum angekündigt hat, ist das Verhältnis zu al-Maliki noch angespannter. Wenn es um Öl-Gewinne, Grenzen und die Autonomiebestrebung geht, sind Kurden und die irakische Regierung gegensätzlicher Meinung,

Die Mehrheit der Kurden im Nordirak sind Sunniten. Regierungschef al-Maliki macht jedoch keine Anzeichen, für eine Einheitsregierung der Schiiten, Sunniten und Kurden weichen zu wollen. Die politische Partizipation der Kurden in Bagdad bleibt also weiterhin aus.

Aber Kurden und die Regierung al-Malikis machen sich gegen eine sunnitisch-militante Übernahme Iraks und Syriens stark. Gemeinsam gehen sie taktisch gegen die Terrorgruppe ISIS vor.

Golfstaaten und ISIS

Der gemeinsame Feind sitzt in Syrien: Bashar al-Assad. Durch finanzielle Mittel der Golfstaaten (Katar, Arabische Emirate und Saudi Arabien) werden die sunnitischen Rebellen im syrischen Bürgerkrieg unterstützt. Gemeinsam teilen sie auch eine Antipathie gegenüber schiitischen Regeln und dem iranischen Einfluss im Irak und in der Region.

Aber die Golfstaaten betrachten die Terrorgruppe ISIS und das Ziel eines kompromisslosen Kalifats als zu extrem und bedrohlich für den Nahen Osten. Die Rebellen sehen in den Golfstaaten korrupte Machenschaften und unreligiöse Ansichten, die mit einem islamischen Staat nicht vereinbar sind.

Kommentare