Internationale Presse: "CSU-Debakel gefährdet Koalition"

Internationale Presse: "CSU-Debakel gefährdet Koalition"
Nach den schweren Verlusten von CSU und SPD bei der Landtagswahl in Bayern rechnen europäische Zeitungen auch mit Folgen für die große Koalition Berlin.

Schweiz

"NZZ": Wahlergebnis wird personelle Konsequenzen haben

"Ohne personelle Konsequenzen kann eine solche Niederlage nicht bleiben. Ministerpräsident Markus Söder gilt zwar als unpopulär, doch Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Chef der CSU, stand bei sämtlichen Streitereien, welche die große Koalition in den vergangenen Monaten erschütterten, im Zentrum des Geschehens. Seine Zeit als Minister könnte bald schon zu Ende sein. Dass die Wahl darüber hinaus unmittelbare Auswirkungen auf die deutsche Regierung haben wird, ist eher unwahrscheinlich: Merkel konnte in Bayern ohnehin nur verlieren(...). Interesse an einem Bruch der Koalition und darauffolgenden Neuwahlen können derzeit weder die Unionsparteien noch die SPD haben."

Italien

"La Repubblica" sieht "Die Grünen als wahre Alternative"

„Die Sozialdemokraten haben nach der Wahlschlappe vor einem Jahr Europa zum Programm gemacht. Aber auf die großen Ankündigungen im Koalitionsvertrag mit Kanzlerin Merkel sind keinerlei Fakten gefolgt. Diese deutsche Regierung war mit Blick auf Europa noch zurückhaltender und noch visionsloser als die letzte. Und so haben die Wähler den Grünen ihre Stimme gegeben, die wirklich Pro-Europäer sind, die noch in der Lage sind, eine wahre Alternative aufzuzeigen. Und die nie davon abgewichen sind, die Menschenrechte der Flüchtlinge in Deutschland und Europa zu verteidigen."

Ungarn

Die regierungsnahe Budapester Tageszeitung „Magyar Idök“ kommentiert: "CSU muss jetzt standfest bleiben"

"Jetzt kommt eine neue Welt. (...) Die radikalen, migrationsfeindlichen Kräfte schafften den Durchbruch: Die AfD kann als rechte Opposition zur CSU mit einem ernsthaften Ergebnis im Rücken in den Münchener Landtag einmarschieren. (...) Für die CSU als stärkste Kraft liegt auf der Hand: Sie darf sich auf keine peinlichen Kompromisse mit dem Gegner einlassen. Denn dies hätte zur Folge, dass sie zwischen der Linken und der radikalen Rechten zerrieben würde. Stattdessen muss sie eine Politik verfolgen, die - bereits mit Blick auf die Europawahl 2019 - den Willen der heimischen Wähler ebenso wie die europäischen Realitäten reflektiert. Insbesondere muss diese Politik dem Umstand Rechnung tragen, dass (...) die Migration in Europa eine wichtige Frage bleibt. Denn der Mainstream, verkörpert durch Politiker wie (EU-Kommissionspräsident Jean-Claude) Juncker, (EU-Binnenkommissar Dimitris) Avramopoulos und (den liberalen Fraktionschef im Europaparlament, Guy) Verhofstadt, tritt für die Migration ein."

Niederlande

"De Volkskrant": "Taumelnde große Koalition"

„In den kommenden Wochen wird in Berlin die Frage zu beantworten sein, wie viel Überzeugungskraft die ohnehin schon taumelnde große Koalition noch hat. Jetzt, wo dieser Verlust die CSU wieder auf das reduziert hat, was sie eigentlich immer war: eine regionale Partei. In der SPD, die bereits im vergangenen Jahr auf Bundesebene eine krachende Niederlage erlitten hat, wird die Debatte über die destruktive Auswirkung einer Koalition mit der CDU/CSU wieder aufleben.“

Frankreich

Mehrere französische Zeitungen nehmen die Ergebnisse in den Fokus:
Die französische Regionalzeitung „Sud-Ouest“ (Bordeaux) schreibt: „Das Augenzwinkern von (Bundesinnenminister Horst) Seehofer in Richtung der extremen Rechten hat sich nicht ausgezahlt - was (Bundeskanzlerin) Angela Merkel nicht missfällt. Zuerst einmal ist nun die große, aber fragile Koalition bedroht (...). Aber mittelfristig (...) könnte Frau Merkel sehen, dass die gemäßigte Linie, die sie verteidigt und verkörpert, gestärkt wird.“

„Les Dernières Nouvelles d'Alsace“ (Straßburg) meinten: „Mit dem Debakel der Konservativen (CSU) ist ein ganzer Teil des Nachkriegssystems verschwunden (...). Diese historische Ohrfeige zwingt die allmächtige Partei des mächtigsten deutschen Bundeslandes, eine Koalition (...) einzugehen - und damit auch ihren Blick auf die Machtausübung zu ändern.“

„Le Républicain lorrain“ (Metz) schreibt: „Deutschland erweckt nunmehr den Eindruck, von einer Koalition von Verlierern geführt zu werden, die von der Angst vor einer vorgezogenen Wahl angetrieben wird (...). Der einzige Funke Hoffnung (in Deutschland) ist der bemerkenswerte Durchbruch der Grünen, die auf die zweite Stufe des bayrischen Siegertreppchens gestiegen und so wieder mögliche Partner für eine Koalition geworden sind.“

Tschechien

Die liberale Prager Zeitung „Hospodarske noviny“ schreibt: "CSU muss versuchen, ihr Gesicht zu wahren"

"Das beste, was die CSU nach dieser bitteren Niederlage machen kann, ist, einen Partner zu finden, mit dem sie nicht nur eine Mehrheit im Landtag hat, sondern auch ihr Gesicht als dominierende Partei wahren kann. Vom Programm her am nächsten scheinen die Freien Wähler zu sein. (...) Offen bleibt vorerst die Frage, ob das Wahldebakel der CSU auch das politische Ende für den 69 Jahre alten Horst Seehofer bedeutet - ein Matador nicht nur der bayerischen, sondern auch der gesamtdeutschen Politik. Der Mann, der in der derzeitigen Bundesregierung den Posten des Ministers des Innern, für Bau und Heimat innehat, ist seit zehn Jahren CSU-Vorsitzender."

Dänemark

Die rechtsliberale dänische Tageszeitung „Jyllands-Posten“ (Aarhus) kommentiert:

"Tatsächlich hat die CSU seit mehr als 60 Jahren nicht so wenige Stimmen erhalten. Bislang war die Partei nahezu ohne Einmischung in Deutschlands ältestem, größten und reichsten Staat, Bayern, an der Macht. Diese Ära ist allem Anschein nach nun vorbei. Damit schwindet wahrscheinlich auch die bundesweite Bedeutung der Partei."

Spanien

"El Mundo": Bayern beschert Europa ein neues politisches Beben

"Ein neues politisches Erdbeben - wie viele hat es bereits gegeben? - erschüttert die Europäische Union. Denn das besorgniserregende Ergebnis der gestrigen Wahl in Bayern (...) ist ein weiterer Harpunenschuss in das Gemeinschaftsprojekt und die Möglichkeit, die Werte, auf denen es basiert, zu stärken. Es ist naiv zu glauben, dass das, was in der Lokomotive der EU passiert, den Fortschritt bei der Integration nicht bremsen wird. Der Absturz der CSU (...) geht mit dem beunruhigenden Aufstieg der extremen Rechten in diesem Bundesland einher, die ein großartiges Ergebnis erzielt. Und, nicht weniger wichtig, ist der Untergang der SPD, die fast in die Irrelevanz stürzt und einen historischen Schlag erleidet."

ORF-Korrespondentin Schwarz: "CSU hat Mitte vergessen"

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