"Blutiger Sonntag" in Myanmar: Sicherheitskräfte immer brutaler

"Blutiger Sonntag" in Myanmar: Sicherheitskräfte immer brutaler
Nach dem Miltärputsch eskaliert die Lage: Zuletzt wurden bei Demonstrationen der Demokratie-Bewegung mindestens 18 Menschen erschossen.

Knapp vier Wochen nach dem Militärputsch in Myanmar gehen die Sicherheitskräfte immer gewaltsamer gegen die Straßenproteste vor. Am Sonntag sind bei landesweiten Protesten mindestens 18 Menschen getötet und mehr als 30 Personen verletzt worden. Dies gaben die Vereinten Nationen in einer Mitteilung am Sonntag bekannt. Es ist der blutigste Tag, seit das Militär sich Anfang Februar an die Macht geputscht hat. Nach UN-Angaben schossen Sicherheitskräfte in den beiden größten Städten Yangon und Mandalay sowie in Dawei, Bago, Myeik und Pokokkuo mit scharfer Munition auf Menschenmassen.

Die Polizei ging in mehreren Städten gewaltsam gegen die Demonstranten vor und schoss unter anderem in Yangon (Rangun) in die Menge. Tote wurden nicht nur aus der Wirtschaftsmetropole Yangon, sondern auch aus der südlichen Küstenstadt Dawei sowie der Stadt Bago gemeldet.

"Blutiger Sonntag" in Myanmar: Sicherheitskräfte immer brutaler

Zunächst hatte die Polizei in Yangon versucht, die Menschen mit Blendgranaten, Tränengas und Schüssen in die Luft auseinanderzutreiben. Auch Soldaten waren im Einsatz. Ein Vertreter der Vereinten Nationen sagte, er könne eine Zahl von mindestens fünf Toten bestätigen. Unter den Toten war eine Frau, die nach Angaben ihrer Tochter vermutlich einer Herzattacke erlag.

Blutüberströmte Menschen

Zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt. Aufnahmen zeigten blutüberströmte Menschen, die von Helfern von dem Ort der Demonstration weggebracht wurden. Demonstranten errichteten Barrikaden und sangen Protestlieder. Vertreter der Polizei und des herrschenden Militärrats waren zunächst nicht für Stellungnahmen zu erreichen.

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Journalisten unter Druck

Auch in anderen Städten berichteten Augenzeugen von der zunehmenden Brutalität der Einsatzkräfte gegen friedliche Demonstranten. Seit dem Putsch registrierte die Hilfsvereinigung für politische Gefangene mehr als 850 Festnahmen oder Verurteilungen. Die Zahl dürfte nach diesem Wochenende jedoch drastisch steigen. Staatliche Zeitungen berichteten von 479 Festnahmen alleine am Samstag. Aus mehreren Städten wurden zudem Übergriffe auf Journalisten gemeldet.

In der am Oberlauf des Irrawaddy-Flusses gelegenen Stadt Myitkyina wurde mindestens ein Journalist von Polizisten geschlagen und festgenommen, als er die Übergriffe dokumentieren wollte, wie die Lokalzeitung The 74 Media berichtete.

In Pyay im Zentrum des Landes wurde ein weiterer Reporter nach Angaben seines Arbeitgebers von einem Gummigeschoß getroffen, während er über die dortigen Proteste berichtete. In der zweitgrößten Stadt Mandalay war per Liveübertragung zu sehen, wie Polizisten Wasserwerfer gegen die Demonstranten einsetzten.

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Die Demonstranten fordern die Freilassung "ihrer" Anführerin Aung San Suu Kyi

UNO-Generalsekretär fordert Reaktion

Die UNO verurteilte das gewaltsame Vorgehen am Sonntag "aufs Schärfste". "Wir fordern das Militär auf, die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten sofort einzustellen", erklärte die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani. UN-Generalsekretär Antonio Guterres fordert die internationale Gemeinschaft auf, "zusammenzukommen und dem Militär klar zu signalisieren, dass es den Willen der Bevölkerung von Myanmar, wie er durch die Wahl ausgedrückt wurde, respektieren und mit der Unterdrückung aufhören muss", so UN-Sprecher Stephane Dujarric am Sonntag.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte in einem Statement das Vorgehen der Militärs. Durch das Schießen auf unbewaffnete Zivilisten hätten die Sicherheitskräfte eine offene Missachtung des internationalen Rechts gezeigt, kritisierte Borrell. Er rief Myanmars Militärbehörden zum sofortigen Stopp des gewaltsamen Vorgehens auf und sprach der "mutigen Bevölkerung" des Landes, "die ihre Demokratie verteidigt", die Solidarität der EU aus.

Putsch am Beginn des Monats

Am 1. Februar hatte in dem südostasiatischen Land das Militär durch einen Putsch die Macht übernommen. Die demokratisch gewählte Regierung von De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde abgesetzt und die Friedensnobelpreisträgerin festgenommen. Seitdem sind Hunderttausende Menschen gegen die Armee auf die Straßen gegangen. Dabei ließen sie sich bisher auch von zunehmender Gewalt und Einschüchterungen nicht abschrecken. Bis zum "blutigen Sonntag" waren mindestens fünf Todesopfer gezählt worden.

Am Montag soll eine Anhörung von Suu Kyi vor Gericht stattfinden. Ihr werden dubiose Vergehen wie der Besitz unregistrierter Funkgeräte vorgeworfen. Ihr Anwalt Khin Maung Zaw sagte zu AFP, ihm sei bisher kein Treffen mit seiner Mandantin ermöglicht worden. "Als Anwalt vertraue ich dem Gericht. Aber in diesen Zeiten kann alles passieren."

UN-Botschafter abgesetzt

Myanmars UN-Botschafter Kyaw Moe Tun stellte sich am Wochenende gegen die Militärführung und rief die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die Junta reagierte am Sonntag mit seiner Absetzung. Der Diplomat sei "nicht dem Befehl und der Richtung des Staates gefolgt", hieß es in einem Bericht des Staatsfernsehens.

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