Tee, Porzellan, Luxus-Nippes aller Art: Die Engländer konnten von Waren aller Art aus China einfach nicht genug bekommen. Schließlich hatte der Ostasien-Fimmel ja selbst König George IV. (1820-1830) erfasst, so, dass er seinen Pavillon im Seebad Brighton ganz im chinesischen Stil einrichten ließ. Doch die Begeisterung für China verschaffte dem Königreich ein Problem, das sich überraschend gegenwärtig anhört: Ein ständig anwachsendes Handelsdefizit. Peking ließ sich für seine Exportgüter nämlich ausschließlich in Silber bezahlen. An Waren aus Großbritannien war man einfach nicht interessiert.
Die Krone aber fand einen Weg, um lukrative Exportgeschäfte mit China abzuwickeln, und sie fand eine Ware, die ständig steigenden Absatz garantierte: Opium. Hauptanbaugebiet war Indien. Und dort hatte ein britisches Handelshaus das Sagen: die East India Company.
Ausgestattet mit einer eigenen Armee, eigener Währung und Handelsmonopolen von Indien bis Singapur nützte die Company ihre Macht, um Opium mit allen Mitteln in den chinesischen Markt zu drücken. Die Folgen waren verheerend, Millionen von Chinesen wurden von der Droge abhängig. Während Großbritannien erfolgreich seine Handelsbilanz aufpolierte, waren die sozialen und gesellschaftlichen Folgen in China katastrophal.
Als das Kaiserreich sich gegen den Opiumimport zur Wehr setzte, die Droge verbot und in Verhandlungen trat, um den Handel einzuschränken, reagierte man in London mit Gewalt. Nicht nur stationierte die East India Company immer mehr Bewaffnete, um ihre Handelsniederlassungen in China zu sichern, auch die Krone selbst schickte ihre Marine nach China. Auf eine formale Kriegserklärung wurde verzichtet. Man wolle lediglich „Genugtuung und Wiedergutmachung“. Denn die chinesischen Behörden hatten große Mengen Opium konfisziert und ins Meer geschüttet.
Schließlich reichte ein kleiner Zwischenfall mit ein paar betrunkenen britischen Seeleuten, um endgültig den Ersten Opiumkrieg vom Zaum zu brechen.
Die überlegenen britischen Streitkräfte fügen der chinesischen Armee eine vernichtende Niederlage nach der anderen zu. China, ohnehin von internen Aufständen und Rebellionen zerrissen und geschwächt, hatte keine andere Chance, als in einen demütigenden Friedensvertrag einzuwilligen. Der lieferte das bislang abgeschirmte China völlig den wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens und anderer westlicher Mächte aus. Dazu wurde das Kaiserhaus zu massiven Reparationszahlungen verpflichtet und musste außerdem Territorium abtreten. Hongkong wurde 1842 zur britischen Kolonie. Innerhalb der nächsten Jahrzehnte folgten die umliegenden Territorien auf dem Festland. Das Reich der Mitte, das sich seit Jahrhunderten als Zentrum der Welt begriff, wurde de facto zur Kolonie westlicher Mächte.
Der Kaiser, der von jedem europäischen Abgesandten den „kowtow“, also den Fall auf die Knie verlangt hatte, musste sein Reich den neuen Herren überlassen. Für China begann eine Epoche, die man später das „Jahrhundert der Erniedrigung“ bezeichnen wird. Ein Trauma, das die Politik des Landes bis in die Gegenwart überschattet. Als Chinas Präsident Xi Jinping vor zwei Jahren Chinas „nationale Erneuerung“, also den Weg zur globalen Supermacht präsentierte, sprach er ausführlich über diese Erniedrigung, die sich „nie wiederholen“ dürfe. Die Rückkehr Hongkongs jedenfalls, habe „hundert Jahre der Schande weggewaschen“.
Im Zeitraffer: Von der Entdeckung bis zur Rückgabe
Schon 1517 landen portugiesische Handelsschiffe in Hongkong. Das Königreich Portugal errichtet auf der benachbarten Halbinsel Macao einen Handelsposten, der ab Mitte des 16. Jahrhunderts portugiesische Kolonie wird. Erst 1999 geht Macao zurück an China.
Während chinesische Waren in Europa reißenden Absatz finden, gibt es wenige britische Güter, die man in China anbringen kann. Also beginnt GroßbritannienOpium, dessen Anbau im Empire legal ist, vor allem aus der Kronkolonie Indien unter politischem Druck auf den chinesischen Markt zu bringen.
Das chinesische Kaiserhaus wehrt sich gegen die Opiumflut, die immer mehr Drogensüchtige produziert. Der erste Opiumkrieg beginnt 1841. Er endet mit einer Niederlage der Chinesen. Hongkong wird von der britischen Armee besetzt und bekommt seinen ersten Gouverneur.
Empfang für Edward, den damaligen Prince of Wales, 1922 in der Kolonie Hongkong
Der Mietvertrag
London sieht die Insel Hongkong zunehmend gefährdet und beschließt, umliegende Territorien auf dem chinesischen Festland zu besetzen. Nach dem zweiten Opiumkrieg knöpft man 1860 dem völlig geschwächten China die Halbinsel Kowloon ab. 1898 kommen die „New Territories“ dazu, die aber verpachtet China nur für 99 Jahre.
Während des Zweiten Weltkriegs okkupiert Japan von 1941 bis 1945 Hongkong und errichtet ein Schreckensregime, bei dem Zehntausende Menschen hingerichtet werden und noch viel mehr wegen des Mangels an Nahrungsmitteln verhungern. Hunderttausende Menschen fliehen, als Hongkong befreit wird, hat es nur noch die Hälfte seiner Einwoher.
Die kommunistische Revolution in China lässt Zehntausende Menschen nach Hongkong fliegen. Maos Wirtschaftsreformen wie der „Große Sprung nach vorne“, der Millionen Chinesen zum Hungertod verdammt, sorgt für eine weitere Fluchtwelle nach Hongkong, ebenso wie die spätere Kulturrevolution.
Vom Fließband zur Finanzmetropole
Der Zustrom an Fachkräften läßt Hongkongs Wirtschaft ab den 1960ern boomen. Die zuvor ausschließlich auf Billiglohn-Produktion ausgerichtete Industrie modernisiert sich rasant. Hongkong verwandelt sich von einer Textil- in eine Handels-, Finanz- und High-Tech-Metropole. Die allmähliche Öffnung des chinesischen Marktes beschleunigt den Aufschwung weiter.
Die heutige Skyline von Hongkongs Victoria Harbour
Ein Land, zwei Systeme
1984 unterschreiben die britische Premierministerin Margaret Thatcher und ihr chinesischer Amtskollege Zhao Ziyang eine gemeinsame Deklaration, die die Rückgabe von ganz Hongkong inklusive aller umliegenden Territorien auf dem Festland für 1997 vorsieht. Im Gegenzug gesteht PekingHongkong Sonderrechte nach dem Motto „Ein Land zwei Systeme“ zu.
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