Die Tories wollen Boris Johnson zurück

"Konzentrier dich auf die Straße, die vor dir liegt", hatte Boris Johnson in seiner Abschlussrede im Sommer 2022 seinem möglichen Nachfolger geraten. "Aber vergiss nie, in den Rückspiegel zu schauen."
Könnte ihn Rishi Sunak dort derzeit auf der Überholspur auftauchen sehen? Die Unterstützer des früheren Premiers ebnen dafür jedenfalls den Weg. Nach den dramatischen Wahlverlusten der Konservativen von mehr als 1.000 Gemeinderatssitzen waren die Johnson-Anhänger die ersten, die in Sunak den Sündenbock dafür fanden. Ihre Unzufriedenheit bringen sie öffentlich zum Ausdruck: Sunak habe „sein Wort gebrochen“, warf ihm etwa Johnson-Loyalist Jacob Rees-Mogg vor – er meinte damit Sunaks Ankündigung, doch nicht wie versprochen bis Jahresende alle EU-Gesetz zu überprüfen oder aufzuheben. Ein ehemaliger Kabinettsminister erklärte, dass Johnson ein „Stimmengewinner“ sei und dass es einen „Dialog“ über die Ablösung von Sunak durch den ehemaligen Premier geben sollte.
Unterstützer-Treffen
Dieser Dialog wurde am Wochenende bei Cocktailkleidern, Chansons und Champagner vertieft. Während am Samstag das restliche England im Song-Contest-Fieber versank, trafen sich rund 600 Johnson-Unterstützer in der Küstenstadt Bournemouth zur Auftaktkonferenz der „Conservative Democratic Organisation“. Hervorgegangen ist diese Tory-Untergruppe aus der Website „Conservative Post“, die die Konservative Claire Bullivant eingerichtet hatte, um der – ihrer Meinung nach – zu negativen Berichterstattung über Johnson entgegenzuwirken.
➤ Mehr dazu: "Partygate": Britischer Ex-Premier Johnson beteuert Unschuld
Auf der Webseite kann man noch heute die „Bring Back Boris“-Petition unterschreiben. Johnson selbst nahm an der Konferenz zwar nicht teil, die Organisatoren meinten jedoch, er sei „sehr unterstützend“ gewesen und habe sogar acht Flaschen Wein für die Auktion signiert, obwohl sie nur um eine gebeten hatten.
Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary University steht einer Rückkehr des Ex-Premiers skeptisch gegenüber: „Johnson hat eine Reihe von kriecherischen Anhängern außerhalb des Parlaments, die behaupten, wegen dieser Wahlergebnisse sollte sich die Partei ihm wieder zuwenden.“ Allgemein sei die Unterstützung unter den Tory-Abgeordneten aber massiv geschwunden. Sie hätten seinen Auftritt vor dem Privilegienausschuss wegen des Partygate-Skandals als peinlich empfunden und wollten nicht zu dem Chaos zurückkehren, das seine Amtszeit prägte. Das Ergebnis der Untersuchung und eine mögliche Verurteilung sind ausständig, der nächste Termin Ende Mai. Unzufriedenheit wächst in der britischen Bevölkerung auch darüber, dass die 281.000 Euro Anwaltskosten für seine Verteidigung den Steuerzahlern zur Last fallen.

Rishi Sunak ist nach sieben Monaten im Amt intern wieder umstritten – wegen verlorener Kommunalwahlen
Dennoch sollte sich Sunak in Acht nehmen. Im Mai 2018 hatten die Tories unter Theresa May bei den Kommunalwahlen 1.300 Gemeinderatssitze verloren. Dreizehn Monate später trat sie als Premierministerin zurück. Und Johnson? Er sandte am Freitag zum „International Nursing Day“ via Twitter eine Dankesbotschaft an das Pflegepersonal des Landes. Mit Anzug und gewohnt wirrem Haar an einem Schreibtisch sitzend hatte das Video frappierende Ähnlichkeit mit den Botschaften, die er als Premier in Zeiten des Lockdown sandte. Den Blick in die Kamera. Direkt nach vorne, auf den Weg, der vor ihm liegt.
Kommentare