Griechenland führt als erstes EU-Land den 13-Stunden-Tag ein

„Wir sind Menschen, keine Maschinen“, steht auf einem Protestplakat in der griechischen Hauptstadt Athen. „Barbarei darf nicht zum Gesetz werden“, auf einem anderen. Zum zweiten Mal in nur zwei Wochen standen am Dienstag weite Teile Griechenlands für 24 Stunden still: Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände hatten zum Generalstreik gegen ein neues Arbeitsgesetz aufgerufen, das am Mittwoch im Parlament diskutiert wurde. Dieses sieht eine Erhöhung der gesetzlichen Arbeitszeit auf bis zu 13 Stunden pro Tag vor, ein Novum in der Europäischen Union.
Den Gesetzesvorschlag hat die regierende Mitte-Rechts-Partei „Nea Dimokratia“ (ND) eingebracht, um den Fachkräftemangel im Land abzufedern. Die Abstimmung ist für Donnerstag angesetzt, jedoch galt bereits im Vorfeld als so gut wie fix, dass der Entwurf durchgeht. Premierminister Kyriakos Mitsotakis verfügt über eine Mehrheit der Parlamentsabgeordneten.
Opposition und Gewerkschaft dagegen
Gewerkschaften und Opposition laufen gegen das Vorhaben Sturm. So ortet die Dachgewerkschaft Öffentlicher Dienst in einer Aussendung nicht weniger als „die Zerstörung jedes Konzepts von Familien- und Sozialleben sowie die Legalisierung von Ausbeutung“. Die Vereinigung der Arbeitsschutzinspektoren wiederum warnt vor gesundheitlichen Folgen („verringerte Zufriedenheit, Konzentration, geistige Klarheit“) sowie einer Zunahme von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Arbeitsministerin Niki Kerameus (ND) hält dagegen. Sie betont, dass die 40-Stunden-Woche weiterhin die Regelarbeitszeit in Griechenland bleibt, ebenso wie die wöchentliche Maximalarbeitszeit von 48 Stunden und die jährliche Überstundengrenze von 150 Stunden.
Den Unternehmen, so betont sie, solle lediglich mehr Flexibilität geboten werden. Die erweiterte Arbeitszeit von 13 Stunden (8 Stunden reguläre Arbeitszeit + 5 Überstunden mit 40 Prozent Zuschlag) soll nur an bis zu 37 Tagen pro Jahr erlaubt sein. Und: Arbeitnehmer dürfen nicht dazu gezwungen werden. Bestimmte Branchen wie die Industrie bleiben ganz ausgeschlossen. Betroffen wären vor allem Gastronomie und Tourismus.
Griechen arbeiten viele Stunden
Dennoch ist der Unmut unter den Arbeitnehmern im Land groß. Auch, weil die Regierung Mitsotakis erst im Vorjahr die Sechs-Tage-Woche eingeführt hat, zu der Beschäftigte seit 1. Juli 2024 verpflichtet werden können.
Und das, obwohl die Griechen ohnehin schon überdurchschnittlich viele Stunden arbeiten: Den EU-Schnitt von 36 Arbeitsstunden pro Woche (2024) übertreffen sie mit durchschnittlich 39,8 Wochenarbeitsstunden bei Weitem; jeder Fünfte Grieche arbeitet laut jüngsten Eurostat-Daten sogar mehr als 45 Wochenstunden.
Die Arbeitsproduktivität bleibt hingegen eine der niedrigsten in der EU. Auch bei Reallöhnen und Kaufkraft ist Griechenland unter den EU-Schlusslichtern. Der Mindestlohn im Land beträgt nur 880 Euro brutto; viele Griechen müssen mehrere Jobs schultern, um über die Runden zu kommen. Dabei hat sich die Wirtschaft nach Jahren der Krise erholt: 2024 wuchs sie um 2,3 Prozent.
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