Mehr leisten im Job: Sind Unternehmen bereit, angemessen zu entlohnen?

Friends sitting at cafe making notes on book and working on laptops
Fast die Hälfte der Studierenden geht davon aus, dass sich Leistung im Job nicht lohnt. Warum es tatsächlich schwieriger geworden ist.

Nur knapp die Hälfte der Studierenden glaubt, dass sich Leistung in der heutigen Arbeitswelt noch bezahlt macht. Heißt: Die andere Hälfte glaubt das nicht. Das geht aus dem neuen „Student*innen-Report 2025“ von Marketagent und Media in Progress mit 639 Befragten hervor. Doch wie viel Wahrheitsgehalt steckt in dieser Annahme, will der KURIER wissen, und bekommt Antworten von HR-Expertin Martina Ernst, die sich auf faire Vergütung spezialisiert hat.

Was Leistung ist - und was nicht

„Die Frage ist nicht, ob sie recht haben“, ordnet Ernst die pessimistische Einstellung der Studierenden ein. „Sondern ob wir als Gesellschaft bereit sind, ihre Perspektive ernst zu nehmen.“ Wer wissen will, ob sich Leistung bezahlt macht, müsse zuerst Klarheit schaffen, was Leistung überhaupt bedeutet.

„Im klassischen Sinn ist Leistung ,messbarer Output pro Zeiteinheit‘. Wer in kurzer Zeit viel geschafft hat, galt als leistungsstark“, definiert die Expertin. Doch ganz so einfach ist es nicht mehr. Aus Unternehmenssicht würde Leistung heute zwei Faktoren beinhalten: Produktivitätssteigerung und Beiträge, die nachhaltig dem Unternehmenserfolg dienen. Diese Leistung wäre häufig gekoppelt an Zielvereinbarungen, Boni oder Beförderungen, klärt Martina Ernst auf und warnt: „Wer unsichtbar arbeitet, wird oft übersehen.“ Denn die Krux mit der Leistung ist folgende:

Unternehmen sind durchaus bereit, (viel) Geld in ihre Schlüsselkräfte zu investieren – das geht u. a. aus der aktuellen Gehaltsprognose des Beraters Kienbaum hervor. Aber: „Viele Unternehmen haben keine klaren Kriterien, wie Leistung gemessen und belohnt wird – insbesondere bei emotionaler, kreativer oder sozialer Arbeit. Wer nicht in Zahlen performt, zieht oft den Kürzeren“, sagt Martina Ernst. Nicht zuletzt, weil weitere Faktoren, die früher als Leistung gewertet wurden, in den Hintergrund gerückt sind.

Martina Ernst ist Gehaltsexpertin und HR-Profi

Martina Ernst ist People & Culture Profi, Unternehmerin mit Fokus auf FairEqualPay und akademische Leiterin an der WU Executive Academy. 

Die neue Definition

War Leistung einst durch Überstunden sichtbar, zählt heute, wie gut man sich selbst managt oder wie sichtbar der eigene Output nach außen getragen wird. Außerdem werde Leistung nach wie vor mit Dauer-Verfügbarkeit verwechselt. Das sei aber kein Qualitätsmerkmal, ist Martina Ernst überzeugt. „Die echte Leistung liegt in kluger Priorisierung, nicht im Dauerstress.“ Früher wurde außerdem eine lange Betriebszugehörigkeit als Leistung verstanden und entsprechend höher entlohnt. „Heutzutage zählt Projekt-Impact“, erkennt Ernst. „Weg von Verweildauer hin zu Wirksamkeit.“ Doch was bedeutet das für die Jungen? Welchen Weg müssen sie einschlagen, damit ihre Leistung auch honoriert wird?

Wie sich Leistung lohnt

„Ob sich Leistung bezahlt macht, hängt vom Standpunkt der Betrachtenden ab“, sagt Vergütungsprofi Martina Ernst und ergänzt: „Sie lohnt sich dann, wenn sie die eigenen Ziele gut erfüllt.“ Das bedeutet: Zunächst müsse man genau wissen, was einen antreibt, was man erreichen möchte und verstehen: alles kommt mit einem Preis.

„Wer Karriere machen oder sich eine Wohnung kaufen will, wird sich anders im Unternehmen engagieren als jemand, der sich in seiner Freizeit verwirklicht“, fasst es die Expertin zusammen. „Ein klares Ziel vor Augen haben, es kommunizieren und notfalls auch bereit für Verzicht sein“, lautet ihre Empfehlung. Wer nur die Tätigkeit ausübt, für die man eingestellt wurde, wird „nur“ mit dem vertraglich vereinbarten Gehalt entlohnt werden. Für Leistungen, die über die übliche Tätigkeit hinausgehen, sind Prämien, Pauschalen, Boni oder Entwicklungschancen (Beförderungen) vorgesehen. Und hier sind Betriebe, zumindest laut Umfragen, bereit, Leistung zu fördern. Die variable Vergütung gewinnt an Bedeutung. Statt sie in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten zu kürzen, wird sie laut Umfragen sogar ausgebaut.

Dennoch merkt Martina Ernst an: „Wie fair Einzelne dieses System empfinden, hängt davon ab, wie klar und nachvollziehbar die Leistungskriterien definiert werden.“ Je unklarer, desto frustrierender. Je klarer, desto fairer. Und zwar für alle Beteiligten – nicht nur jene, die gut verhandeln.

Kommentare