Direkte Kontrolle
Der 74-jährige Stratege, der vor allem an der Innenpolitik interessiert ist, holt sich so die direkte Kontrolle in der Regierung zurück. Denn die Parlamentswahlen stehen im Herbst an, und die Oppositionsparteien legen in den Umfragen gefährlich zu. Regierungschef ist der Ex-Banker Mateusz Morawiecki, den Kaczynski Ende 2017 holte, um die Kommunikation mit Brüssel zu verbessern. Gegen Polen laufen mehrere Rechtsstaatlichkeitsverfahren der die EU-Kommission.
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Gefahr droht der Regierungspartei aktuell von zwei Seiten. Da ist der ehemalige Premier und einstige Europa-Politiker Donald Tusk von dem konservativ-liberalen Bündnis „Bürgerkoalition“ (KO). Er konnte am vierten Juni, dem 34. Jahrestag der ersten halbfreien Wahlen in der damaligen Volksrepublik Polen, die Massen landesweit auf die Straße bringen. Tusk, der die umstrittenen Reformen des Rechtsstaats wieder zurück nehmen will, verschärft den Ton. „Wenn Du für die PiS stimmst, heißt das entweder, dass Du ihnen zu stehlen erlaubst, oder dass Du mit ihnen zusammen stehlen willst“, so der 64-jährige bei einem Wahlauftritt.
Auf der anderen Seite erhält das Parteienbündnis „Konföderation“ Aufschwung. Dort finden sich nationalistische, libertäre wie anti-ukrainische Politiker. Mit dieser unberechenbaren Formation wird die PiS, die Wähler mit Sozialversprechen lockt und vor Tusk als Gehilfe Moskaus und Berlins warnt, vermutlich koalieren müssen.
Derzeit liegt „Recht und Gerechtigkeit“ noch bei 33 Prozent in den Umfragen, die KO bei 27 Prozent, die Konföderation kann acht Prozent der Befragten erreichen. Bereits im November 2020 hatte sich der PiS-Chef zum Vizepremier wählen lassen und leitete eine extra für ihn geschaffene Aufsichtskommission, bei der er den Ministern für die Justiz, das Innere und die Verteidigung auf die Finger schauen konnte. Im Juni 2022 verabschiedete er sich wieder von dieser Funktion.Jens Mattern, Warschau
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